Schon rein statistisch gesehen war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Wagen der Firma Tesla mit aktiviertem Fahrassistenzsystem in einen schweren Unfall verwickelt sein würde. Bösartig formuliert könnte man sagen, die Kritiker der elektronischen Assistenten hätten geradezu auf diesen Moment gewartet angesichts der Flut an Artikeln, die sich nun mit diesem Thema beschäftigen und oft von Argwohn gegenüber der neuen Technik geprägt sind. Auf den ersten Blick mag der tragische Unfall am 7. Mai mit tödlichem Ausgang in Florida eine Schlagzeile wert sein, weil die ganze Welt das Treiben von Tesla und dem Gründer Elon Musk beobachtet.

Allerdings scheint es der Umkehr von Ursache und Wirkung zu bedürfen, um aus dem bisher bekannten Unfallgeschehen eine Sensation kreieren zu können oder gar der Weiterentwicklung von Assistenzsystemen eine Absage zu erteilen. Denn alles deutet darauf hin, dass es sich in erster Linie wie so oft um menschliches Versagen gehandelt und die Technik genau genommen nur eine sekundäre Rolle gespielt hat. Wie einem ausführlichen Bericht der New York Times oder auch der Darstellung von Tesla in deren Blogeintrag zu entnehmen sind, wurde der Unfall dadurch verursacht, dass ein Lastwagenfahrer beim Linksabbiegen auf dem Highway offenbar dem Fahrer des Tesla den Vorrang genommen hat, wie ihn die Infografik der Süddeutschen Zeitung illustriert. .

Unfallverlauf des Tesla S / SZ Infografik
Unfallverlauf des Tesla S in Florida / SZ Infografik

Demnach kommt zunächst einmal als eigentlicher Unfallverursacher der Fahrer des Lastwagens in Betracht, auch wenn endgültige Analysen noch ausstehen. Hinzu kommt, dass der Fahrer des Tesla S anscheinend gar nicht reagiert hat und der Wagen ungebremst unter den Anhänger des Lastwagens gerast ist. Dies deutet daraufhin, dass der Fahrer des Tesla in hohem Maß abgelenkt war und er sich über alle Warnhinweise hinweggesetzt hat, die verlangen, dass er auch bei aktiviertem Assistenzsystem die Hände am oder beim Lenkrad lassen und stets eingriffbereit sein muss. Ob er wirklich wie vermutet auf einem Laptop einen Videofilm betrachtete, wird die weitere Unfallanalyse noch genauer untersuchen. Vieles spricht daher dafür, dass es zwei menschliche Fehler waren, die in ihrer Verkettung zur Tragödie geführt haben.

Die Technik hingegen hat es in diesem Fall schlicht (noch) nicht vermocht, das menschliche Fehlverhalten zu kompensieren. Denn für dieses Unfallszenario war die Technik auch gar nicht ausgelegt wie die Firma Mobileye mitteilte, welche das Kamerasystem für den Tesla produziert. Erst 2018 rechne man durch Verbesserungen des Systems damit, auch den hier dargestellten Unfalltypus vorab erkennen und schlussendlich verhindern zu können.

Schließlich ist auch festzuhalten, dass die Technik keinen fehlerhaften Eingriff begangen hat, den der Mensch nicht mehr auszugleichen in der Lage war. Vielmehr hat das System schlicht gar nicht reagiert, weil es darauf noch noch nicht entsprechend vorbereitet war. Allerdings haben Tesla und Elon Musk auch niemals behauptet, dass es sich um ein ausgereiftes System handele, mit dem autonomes Fahren möglich sei. Wer dies dennoch suggeriert, um Schlagzeilen zu produzieren, wird der Sache nicht gerecht. Genausogut könnte man Handyherstellern vorwerfen, ihre Geräte seien für Unfälle verantwortlich, weil die Fahrer sie während der Fahrt benutzen und sich dadurch ablenken lassen.

Das Tesla Model S in der Kritik / Quelle: Teslamotors, Alexis Georgeson
Das Tesla Model S zu Unrecht in der Kritik / Quelle: Teslamotors, Alexis Georgeson

Noch sind es die Fahrer selbst, die die Hauptverantwortung für ihr Handeln Verkehrsgeschehen innehaben. Es wäre daher unfair, in Fällen wie dem hier geschilderten die Schuld der Technik in die Schuhe schieben zu wollen und die Fahrer aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Ohne Zweifel wird es in Zukunft Unfälle geben, bei denen tatsächlich auch technisches Versagen in Form fehlerhafter oder eigentlich zu erwartender Eingriffe von Assistenzsystemen die Hauptrolle spielen wird. Dies wird dann aber dazu führen müssen, aus den Unfällen zu lernen und die Technik weiter zu verbessern anstatt sie zu verteufeln. Denn der “Risikofaktor Mensch” wird auf moderne Assistenzsysteme angewiesen sein, wenn er die Unfallzahlen maßgeblich senken will.

Sascha Fiek
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Autor

Gründer des Blogs Fahrlehrerwelt, Fahrlehrer aller Klassen und Geschäftsführer der ACADEMY Fahrschule Fiek GmbH in Freiburg. Er betreibt auch einen persönlichen Blog unter www.saschafiek.de.

Kommentare

  1. Das ist endlich mal ein Artikel, der des Pudels Kern trifft! Vielen Dank für diese gradlinigen und klare Aussagen!

    • Guter Artikel zum Thema.
      Die Vorkonditionierung der öffentlichen Meinung durch tendeziöse Meinungsschreiber ist ein erbärmliches Statement von Oberlehrerhorden und ein hilfloser Ausdruck der Angst vor dem Abstieg in die Zweitklassigkeit einer etablierten Autoindustrie.

  2. Betrachtet man die seither bekannten Umstände des Unfallherganges, stellen sich mehrere Fragen:
    Wäre der Unfall überhaupt vermeidbar gewesen?
    Wie viel Reaktionszeit hat dem Fahrer des Tesla zur Verfügung gestanden?
    Hätte er überhaupt eine Möglichkeit des Ausweichen gehabt oder wäre ihm ausreichend Bremsweg zur Verfügung gestanden?
    Also letztlich, wäre der Unfall ohne Autopilot weniger schlimm ausgegangen?

    • in diesem Seekingalpha-Artikel
      http://seekingalpha.com/article/3986304-detailed-view-tesla-autopilot-fatality
      geht der Autor sehr detailliert auf auf Örtlichkeiten, Uhrzeiten, Abstände und selbst Bodenerhebungen ein. Sehr beleuchtend!
      (englisch, Tipp: Wer sich nicht registrieren will, der kann einfach beim Firefox die “Leseansicht” starten und bekommt den Artikel auf einer Seite ohne die nervige Modalbox.
      Der Button für die Leseansicht wird neben der URL mit einem aufgeschlagenen Buch angezeigt.)

  3. Ein hervorragender Artikel. Dieser Unfall dient im “Sommerloch” der Medien denen, die den Fortschritt aufhalten wollen, weil sie sich gar nicht mit der ganzen Entwicklung beschäftigen wollen oder können. Das autonome Fahren wird noch schneller da sein als gedacht und der Verkehrssicherheit in einem noch nicht vorstellbaren Ausmaß zugute kommen.

  4. Bravo! Aber wie kriegt man sowas in die Köpfe der Leute? Aufklärungsbedarf ist gross – aber keine Sensation, somit wird’s schwierig.

  5. Was heißt hier “unfair”? Erstens, ist es nicht Aufgabe der Presse fair zu sein, sondern kritisch. Zweitens ist Tesla selbst daran schuld.

    Tesla ist auf mehreren Ebenen selbst daran Schuld und damit Opfer seines eigenen Marketings geworden. Wie Du richtig festgestellt hast, ist der Autopilot ein Assistenzsystem und keine vollautomatisches Fahren. Es ist ein Assistenzsystem, wie es bei verschiedenen OEMs seit Jahren im Einsatz ist. Genau genommen ist es sogar die selbe Logik wie im BMW oder bei Volvo. Denn das Assistenzsystem kommt im wesentlichen Teil von MobilEye. Der Unterschied ist, dass Tesla WENIGER Sensoren verbaut als BMW und Volvo und dabei MEHR erlaubt. What can possibilly go wrong?
    Im Marketing dann suggeriert, dass das Tesla-System besser ist als alles bisher da gewesene. Das fängt schon damit an, dass sie behaupten wie viele Unfälle (Tote) sie damit vermieden hätten und das mit Zahlen vergleichen, die das Gesamtverkehrsaufkommen abbilden. Allerdings ist im letzten Fall auch die Großzahl der Unfälle im städtischen Bereich berücksichtigt, wo selbst Tesla sagt, das ihr System gar nicht funktioniert.
    Während alle OEM von Anfang an darauf setzen, eine Erkennung zu haben, dass man die Hand am Lenkrad haben MUSS, hatte das Tesla am Anfang gar nicht integriert und erst auf Druck der Öffentlichkeit halbherzig per Software-Update nach geschoben. Weiterhin verbaut Tesla nur ein einfaches Radar auf Kennzeichenhöhe, wahrscheinlich aus Kostengründen, während alle anderen OEM zusätzliche Radar im Rückspiegel verbauen, zum Teil auch einfache Lidar-Scanner. Diese Informationen sind wichtig, weil eben eine Bildauswertung nur begrenzt ist.
    Daran ist dann auch zu erkennen, dass selbst der Notbremsassistent nicht reagiert, denn wie selbst der Telsa PR zu entnehmen, ist das Auto ganz normal weitergefahren. Er hatte noch nicht mal die Kollision selbst entdeckt, die über einfache Beschleunigungssensoren erkennbar ist. Wobei die Beschleunigungssensoren eigentlich aus fahrdynamischen Gründen verbaut sein sollten.

    Ein weiteres Problem ist, dass Tesla dieser Vorfall schon lange bekannt war. Er fand vor der Kapitalerhöhung statt und wurde aber von Tesla erst einen Tag vor der öffentlichen Untersuchung durch die NHTSA (ähnlich dem KBA) öffentlich gemacht. Das könnte auch als Kursmanipulation gewertet werden. Nicht umsonst untersucht selbst die SEC jetzt diesen Vorfall.

    Bisher ist die Presse sehr euphorisch und eben unkritisch mit den Aussagen von Elon Musk gewesen, obwohl es immer nur planke Versprechen waren, wovon er kein einziges gehalten hat. Das Model S sollte ursprünglich mal für unter $60.000 in den Markt, kam dann für über $75.000. Das Model S hatte über 1 Jahr Verspätung. Das nächste Model nach dem Model S sollte billiger sein. Es wurde das Model X und ist teurer. Das Model X hat inzwischen auch weit über Jahre Verspätung. Die vorhergesagten Stückzahlen stimmen nicht. Die Qualitätsprobleme nehmen er zu als ab. Er behauptete die modernste Fabrik im Automobilbereich zu haben und stellte jetzt dann fest, dass er viel zu viel Handarbeit hat. Letzteres, weil er vor Jahren als er die Chance hatte von Toyota nicht lernen wollte.

    Das dies also alles irgendwann mal nach hinten los geht, damit hätte er selbst rechnen müssen. Das ganze wird sowie so noch interessant, weil an der Börse wird Tesla höher gehandelt als Daimler. Daimler, ein Konzern der mehr Autos produziert, eine Kapitalrendite statt Verlust hat. Da stellt sich dann die Frage, wird Tesla abstürzen oder die anderen OEM massiv steigen.

    Es geht hier also weniger um Fairness.

  6. Eine kritisch berichtende Presse ist fair. Eine Hetzjagd oder eine einseitige Berichterstattung ist unkristisch und unfair.
    Dass die Assistenzsysteme von Tesla weiter entwickelt und besser sind, zeigen – gerade dieser Tage – verschiedene Tests.
    Tesla weist deutlich darauf hin, daß die Hände am Lenkrad sein sollen. Wenn ich aber so verrückt bin, mir nebenher einen Videofilm anzusehen, dann ist es völlig egal, wie viele Hände ich am Lenkrad habe. Dann bekomme ich eine Veränderung der Verkehrssituation nicht mit und kann nicht angepasst reagieren.
    Notbremsassistenten werden in vielen Fahrzeugen verbaut, mit weitgehend gleicher Technik. Aufahrunfälle – auch mit tödlichem Ausgang – gibt es dennoch. Anfang Juli steckte eine Mercedes S-Klasse unter einem LKW bis zur Heckscheibe. Der Fahrer war tot und die Presse hat vernünftigerweise normal und nicht hysterisch darüber berichtet. Das nenne ich fair.
    Die Aussage, die Hand-am-Lenkrad-Erkennung sei auf Druck der Öffentlichkeit nachgeschoben worden, ist schlicht falsch. Das System war nur wenigen Beta-Testern offen zu Verfügung gestellt worden und hat bei der Abnahme durch die zuständie Behörde die Auflage bekommmen, die Hand-am-Lenkrad-Erkennung nachzurüsten. So ist es dann in den Markt eingeführt worden und wurde nicht halbherzig nachgebessert.
    Die Aussage Teslas, das Model S hätte für 60000 $ auf den Markt kommen sollen, ist richtig. Die Aussage hingegen, das sei nicht geschehen, ist wieder falsch. Es gab anfänglich eine Variante mit einem 40 kWh-Akku, die zu diesem Preis von 60000 $ zu haben war. Die wurde aber so wenig nachgefragt, daß man sie wieder aus dem Angebot nahm.
    Was die Qualität der Fahrzeuge angeht, so sind sehr deutliche Qualitätsverbeserungen zu verzeichnen. Ein 1,5 Jahre altes Model S hat qualitativ weder was mit einem Model S aus der Anfangszeit zu tun, noch mit der Qualität eines heute produzierten. Daß die Qualität insgesamt sehr hoch ist, das zeigen die im Vergleich zu klassengleichen Verbrennern die geringen Werkstattaufenthalte. Wer aktuelle Tests googelt, der weiß in 5 Minuten, daß der Tesla für seine Qualität mittlerweile Pluspunkte einfährt.
    Seit Elon Musk begonnnen hat, auf seine Art die Welt zu verändern, gibt es die ewig gestrigen Besserwisser, die behaupten, das geht nicht, das klappt nicht. Sie hatten ein ums andere Mal unrecht. Bei jeder neuen Ankündigung geht es wieder von vorne los, und man bekommt wortgewaltig erklärt, warum es nicht geht. Einige Zeit später, manchmal auch tatsächlich verspätet, geht es dann aber doch. Das erinnert mich an die Mentalität eines Roulette-Spielers, der permanent auf dieselbe Zahl setzt ohne sein Tun zu hinterfragen und Pleite ist, bevor die Zahl fällt.
    By the way – dieses Bashing wegen des tödlichen Unfalls wird in erster Linie in Deutschland auf diesem Niveau geführt. Cui bono?

    • Hallo allerseits,
      wie unreflektiert ist der Satz in dem Kommentar
      “Dass die Assistenzsysteme von Tesla weiter entwickelt und besser sind, zeigen – gerade dieser Tage – verschiedene Tests.”.

      Kurze Bestandaufnahme zur HW/Sensorik:
      Tesla S:
      1 x Bosch Long Range Radar, 1 x Mobileye Mono-Kamera + 12 x Ultraschall
      BMW Siebener:
      1 x Conti Long Range Radar, 1 x Conti Stereo Kamera, 4 x Delphi Mid-Range Radare, 12 x Ultraschall
      Daimler E oder S-Klasse
      1 x Conti Long Range Radar, 1 x Conti Stereo Kamera, 6 x Autoliv Mid-Range Radare, 12 x Ultraschall
      Audi A8
      2 x Bosch Long Range Radare,1 x ?? Stereo Kamera, 2 x Hella Mid-Range Radare, 12 x Ultraschall

      Tesla verbaut also deutlich weniger Sensorik und gerade mal die gleichen Sensoren und ist angeblich führend??? Über bessere Algorthmen fängt man das auch nicht ab, da wenn man nichts oder zu wenig sieht, kann man auch nicht reagieren.

      Zu den Tests: Ich bin aus der Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen und habe wenige seriöse Tests mit techn. Tiefgang gesehen. Meistens werden nur Journalisten hin und her kutschiert…leider.
      Grüße,

      Mark

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