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Dank der Mitwirkung unseres Autohaus Gehlert aus Freiburg konnte ich an den Weihnachtstagen den neuen Golf 8 probefahren, ein wenig unter die Lupe nehmen und einen ersten subjektiven Eindruck für den möglichen Fahrschuleinsatz gewinnen. Um es gleich vorweg zu sagen: Der neue Golf ist eine fast sanfte Evolution und sicher kein radikaler Wandel. Die Armaturen und Anzeigen wurden allerdings umfangreich modernisiert und auf das digitale Zeitalter angepasst, ohne dabei zu sehr ins futuristische abzugleiten. Gewiss wird es dennoch manche geben, denen das schon zu viel ist und die einiges davon als neumodischen Schnickschnack abtun werden. Wer aber gewohnt ist, ein Smartphone zu bedienen, für den ist das neue Bedienungskonzept intuitiv erlernbar und schon nach kurzer Zeit wischt und streicht man ganz selbstverständlich über den Touchscreen wie beim eigenen Handy eben auch. Drehknöpfe hat VW bis auf die Spiegelverstellung konsequent abgeschafft und insgesamt wirkt das Cockpit aufgeräumter und klarer als früher. Das Herzstück der Veränderung ist ohne Zweifel die digitale Anzeigentafel im Armaturenbrett, die nun serienmäßig daherkommt und endgültig das Zeitalter der analogen Instrumente einläutet. Auch hier gilt: Was im ersten Moment nicht zuletzt aufgrund der vielen Einstellungsmöglichkeiten Staunen verursacht, wird schnell zur Selbstverständlichkeit, sobald die Augen gelernt haben, wohin sie schauen müssen, da viele Elemente neu angeordnet sind.

Das neue Display im Golf 8

Auch die Verkehrszeichenerkennung wurde gegenüber früheren Versionen deutlich weiterentwickelt. Neben Höchstgeschwindigkeit oder Überholverbot werden nun auch eine ganze Reihe von Gefahrzeichen oder sogar die Einzelvorfahrt im Display angezeigt, wenngleich die Einblendung gerne etwas früher erfolgen dürfte. Für den Fahrschulbetrieb praktisch ist die Funktion der akustischen und optischen Warnung bei Überschreitung der Geschwindigkeit, die auf der Verkehrszeichenerkennung basiert. Allerdings gibt es hier eine empfindliche Einschränkung. Bei tageszeitabhängigen Höchstgeschwindigkeiten wie dem lärmschutzbedingten Tempo 30 zwischen 22 und 6 Uhr schlägt das System Alarm, auch wenn man regulär 50 fahren darf. Das nervt so schnell, dass viele das System deaktivieren werden, wenn es bei ihnen vor Ort eine Reihe solcher Schilder gibt. Dank der verbesserten und übersichtlicheren Menüführung lassen sich die vielen Assistenzsysteme gut einzeln ansteuern, was auch bei der praktischen Ausbildung ein Vorteil sein kann.

Ein wahrer Genuss war der ergoActive Sitz, der nicht nur bequem ist und tollen Halt bietet, sondern dessen einstellbare Lendenwirbelstütze vor allem den Rücken von uns Fahrlehrer_innen schont. Wenn das Auto der Arbeitsplatz ist, kann man nur dringend dazu raten, bei der Konfiguration solche vernünftigen Sitze zu berücksichtigen. Neben der Bequemlichkeit der Sitze trägt auch die neue Ambientebeleuchtung ihren Teil dazu bei, für eine angenehme Stimmung im Inneren des Wagens zu sorgen, was sich hoffentlich am Ende eines langen Tages bei den Nachtfahrten positiv aufs Gemüt auswirken wird. Positiv ist auch zu vermerken, dass der Wagen zumindest gefühlt bei Geschwindigkeiten jenseits der 140 leiser zu sein scheint als seine Vorgänger. Was für uns auch natürlich auch ein wichtiger Aspekt ist, ist, dass von der Beifahrerseite alle Anzeigen und Bedienungseinrichtungen gut einzusehen und zu erreichen sind. Mit einem langen Arm kommt man jetzt sogar an das weiter oben angebracht Lichtpanel dran.

Alles andere, was ich in der kurzen Zeit so wahrnehmen konnte, war durch und durch Golf. Von außen ist er sicher etwas kantiger und etwas charakterstärker als früher und verfügt über eine schnittigere und bessere Beleuchtung. Aber wenn man innen nicht gerade aufs Display schaut, merkt man kaum einen Unterschied. Die Übersichtlichkeit gerade beim Parkvorgang hat sich nicht nennenswert verändert und auch im Fahrverhalten habe ich allenfalls leichte Verbesserungen gespürt, wobei das sicher die Autoexperten besser bewerten können, da ich aus der Fahrlehrerbrille schaue.

Die Anordnung im Motorraum wird beibehalten

Alles in allem bleibt der Golf, was er ist und was ihn ohne Zweifel auch für den Fahrschulbetrieb auszeichnet. Ein Mittelklassewagen, der grundsolide strukturiert ist, der konsequent weiterentwickelt wird, ohne dabei große Sprünge zu machen, der nicht aufregend aber auch nicht langweilig wirkt und der angesichts des großen technologischen Wandels den Spagat ganz gut hinbekommt, ein massentaugliches Auto zu sein. So wird er auch morgen sicher noch in vielen Fahrschulen zu finden sein.

In den letzten Wochen und Monaten wurde die Diskussion um den Ausbau der Elektromobilität vor allem in den sozialen Medien mit zunehmender Härte und viel Polemik geführt. Hier scheint sich unter anderem der Frust all derer zu entladen, die angesichts des schnellen technischen Wandels und angesichts der rechtlichen Kapriolen um Fahrverbote, aber auch angesichts immer neuer Enthüllungen von mehr oder weniger betrügerischen Geschäftspraktiken der Autohersteller zutiefst verunsichert und verärgert sind. Wer sich vor wenigen Jahren in gutem Glauben einen neues Dieselfahrzeug gekauft hat und mühsam Jahr für Jahr Zins und Tilgung in der Finanzierung stemmt, der lässt sich nicht so leicht für ein neues Elektromobil begeistern, sondern hadert verständlicherweise vielmehr mit aktuellen Fahrverboten und finanziell belastendem Wertverlust.

Gleichzeitig dreht sich die bislang so vertraute Autowelt von Tag zu Tag schneller, bis manch einem schwindlig wird. Der Otto Normalverbraucher sieht sich heute schon mit High-Tech-Fahrzeugen konfrontiert, deren vielfältige Funktionen er kaum noch kennt, versteht oder einsetzen kann und muss sich mit immer neuen Antriebs- und Getriebeformen oder neuen Assistenzsystemen auseinandersetzen. Da verwundert es nicht, wenn die Sehnsucht nach der “guten alten Autowelt” wächst, in der alles einfacher und übersichtlicher war, und gleichzeitig eine gewisse Skepsis gegenüber den neuen Entwicklungen entsteht. Gleichwohl darf das aber auch kein Grund sein, die Transformation der Mobilität in Bausch und Bogen zu verdammen und diese mit unredlichen Argumenten zu bekämpfen. Daher gilt es, die Debatte wieder ein wenig zu versachlichen und nüchtern Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen.

Manch einer sehnt sich nach der “guten alten Zeit” einfacher und schlichter Fahrzeuge zurück. Doch die Zukunft sieht anders aus. Bild: Volkswagen AG

Beginnend bei den Kosten der Elektroautos hat der ADAC zur Überraschung vieler festgestellt, dass bereits heutige batteriebetriebene Fahrzeuge in der Vollkostenrechnung günstiger sein können als vergleichbare Verbrenner, wenn nicht nur Anschaffung, sondern auch Betrieb und Wartung mit in die Rechnung einbezogen werden. So schlägt laut der Berechnungen des ADAC (Veröffentlichung vom 31.10.18) der Hyundai Ioniq Elektro (88kW) mit 49 Cent/km zu Buche, während es der vergleichbare Hyundai i30 Kombi 1.0 T-GDI (88 kW) auf 51,4 Cent/km bringt. Beim VW Golf liefern sich die Elektroversion und der vergleichbare Benziner ein Kopf an Kopf Rennen, das letzterer mit gerade einmal 0,4 Cent/km für sich entscheidet. Bedenken wir nun, dass Europa erst in den Startlöchern zur Massenproduktion steht, dass in den nächsten Jahren bei den Batterien noch große Technologiesprünge zu erwarten sind (SZ vom 15.10.18) und dass auch Recycling und Weiterverwendung verbrauchter Batterien noch ganz am Anfang stehen, dann werden aller Voraussicht nach Skaleneffekte und Effizienzgewinne dafür sorgen, dass das Elektroauto bei den Kosten pro gefahrenem Kilometer Stück für Stück besser wird gegenüber herkömmlichen Verbrennern.

Von den Gegnern der Elektromobilität wird weiterhin gerne deren Ökobilanz kritisiert und auf die energieintensive Batterieproduktion sowie die Probleme bei der Gewinnung von Elementen wie Kobalt oder Lithium verwiesen. Dieses Manöver ist allerdings allzu durchsichtig und unglaubwürdig. Schon seit vielen Jahren nutzen all die Kritiker Smartphones, Laptops und viele andere technische Geräte, die zum Teil auch in Autos mit Verbrennungsmotor eingebaut werden und deren Batterien ebenso mit verachtenswerter Kinderarbeit gefördertes Kobalt aus dem Kongo enthalten. Dass diese Kritiker jetzt urplötzlich aus Gewissensgründen privat auf den Einsatz jeglicher Lithium-Batterien verzichten, dürfte bezweifelt werden. Zumal auch die Frage zu stellen wäre, wo denn diese Kritiker sind, wenn es um Ölförderung, Öltransport und Ölkatastrophen geht. Denn wer auf der einen Seite den Lithiumabbau in Chile aus Umweltschutzgründen attackiert, der muss gleichzeitig auch die ölverschmierten Strände mit all den Tierkadavern vor Augen behalten, wie wir sie allzuoft nach Havarien von Öltankern oder Ölplattformen erleben müssen.

Statt sich aber damit zu beschäftigen, welche Technik mehr Umweltprobleme mit sich bringt, sollte es vielmehr darum gehen, diese Probleme einzudämmen. Je weniger Öl gefördert werden muss und je weniger Kobalt aufgrund der technischen Weiterentwicklung benötigt wird, desto besser ist es für Mensch und Umwelt. Richtig ist aber auch, die Probleme nicht zu verschweigen, um sie dann konsequent anpacken zu können. Ein bemerkenswerter Ansatz dabei ist zum Beispiel die Initiative von Ford und IBM, die unter Einsatz modernster Blockchaintechnologie Abbau und Verarbeitung von Kobalt ethisch und sozial verträglich gestalten wollen (bizz-energy vom 18.1.19). Gleichzeitig wird auch intensiv daran geforscht, ganz unterschiedliche Batterietypen ganz ohne Kobalt für unterschiedliche Einsatzzwecke zu entwickeln, die beispielsweise mit Magnesium oder Natrium arbeiten, bei deren Gewinnung nicht solche Probleme anfallen. Zugegebenermaßen wird es noch mindestens bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts dauern, bis solche neue Typen großindustriell einsetzbar sind, aber es ist doch völlig unbestritten, dass die Umstellung des Energie- und Mobilitätssystems auf Speichertechnologie Jahrzehnte dauern wird, was jedoch kein Grund ist, heute den Kopf in den Sand zu stecken.

Zerstörung eines Naturparadieses durch eine Ölpest auf Koh Samet in Thailand 2013. Gewinnung, Verarbeitung und Handel der Rohstoffe und mögliche Konsequenzen müssen in allen Fällen berücksichtigt werden. Bild: Tigergallery/shutterstock.com

Ähnlich verhält es sich mit der Argumentation beim CO2-Ausstoß. Natürlich benötigt die Batterieproduktion viel Energie und natürlich wollen Batterien auch tausende Male frisch mit Strom befüttert werden. Und in der Tat hängen da heute je nach Land und Standort noch CO2-intensive fossile Energieträger hintendran. Dies führt dazu, dass die CO2-Bilanz je nach Perspektive und Rahmenbedingungen unterschiedlich gut oder schlecht ausfällt und die Vorteile gegenüber Verbrennungsmotoren mal mehr oder mal weniger groß bewertet werden. Dies ist allerdings auch kein Argument gegen die Elektromobilität, sondern vielmehr ein Argument dafür, die Stromproduktion konsequent weiter in Richtung erneuerbare Energien umzustellen. Der jüngst gefundene Kompromiss zum Ausstieg aus der Kohleenergie (z.b. Welt vom 26.1.19) ist dazu ein Ansatz. Denn mit jedem abgestellten Kohlenmeiler verbessert sich auch in Deutschland die Umweltbilanz des Strommixes und wenn wir mithilfe des Einsatzes von Speichertechnologie und smart grids die Grundlastfähigkeit der erneuerbaren Energien stärken, dann steuern wir auf eine klimafreundliche Stromproduktion zu, ohne dass irgendwo die Lichter ausgehen werden. Und da das Potenzial erneuerbarer Energien immer noch nur bruchstückhaft genutzt wird, ist auch die Sorge, man könne damit nicht genügend Strom für die Elektromobilität herstellen, schlicht unbegründet. Nicht zu vergessen ist in dem Gesamtzusammenhang, dass Elektrofahrzeuge lokal vor Ort unbestrittenerweise emissionsfrei unterwegs sind, was sich positiv auf die Luftqualität vor allem in Städten auswirkt und Diskussionen um Fahrverbote wegen NOX-Emissionen beendet. Eine sehr schöne Übersicht über die tatsächlichen Zahlen hinsichtlich CO2-Bilanz und Strombedarf liefert auch die Wirtschaftswoche über “die Mythen der E-Auto Kritiker” vom 24.1.2019

Selbst bei der Angst vor zu leisen Fahrzeugen wurde inzwischen eine Lösung gefunden. Elektroautos müssen künftig im Langsamfahrbereich bis 20 km/h autoähnliche Geräusche produzieren, damit sie von anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere Radfahrenden und Fußgängern wahrgenommen werden können, um Gefährdungen zu vermeiden. Oberhalb dieses limits dürfen sie dann ihren Vorzug der Geräuscharmut voll ausspielen, was gerade von Menschen, die an Durchgangsstraßen wohnen, sehr geschätzt werden dürfte.

Moderne Elektroautos – leise, hoch effizient und sehr dynamisch. Bild: Volkswagen AG

Eine große Hürde allerdings bleibt und das ist die fehlende Ladeinfrastruktur, deren Aufbau Deutschland schlicht und ergreifend verpennt hat. Hier braucht es tatsächlich noch einen gewaltigen Kraftakt, an dem Politik, Autohersteller, Unternehmen, Institutionen und Zivilgesellschaft gemeinsam mitwirken müssen, damit das Elektroauto nicht dem Häuslebesitzer im Grünen mit eigener Garage vorbehalten bleibt. Der wenngleich auch oftmals unbegründeten Reichweitenangst kann nur sinnvoll begegnet werden, wenn die Besitzer von Elektrofahrzeugen die Gewissheit haben, nicht aufgrund von einem Mangel an Ladestationen eines Tages irgendwo liegen zu bleiben. Gleichzeitig muss der Ladevorgang so komfortabel, schnell und sicher gestaltet sein, dass der Autobesitzer das Laden nicht als Belastung empfindet. Hier herrscht ohne Zweifel Nachholbedarf. Aber auch das ist kein Grund gegen die Elektromobilität, sondern ein Argument dafür, den berühmten Hintern hochzukriegen und in den nächsten Jahren ein flächendeckendes Ladenetz zu errichten.

Manche verweisen an dieser Stelle gerne auch auf die Alternativen in Form von Brennstoffzellenfahrzeugen oder Fahrzeugen, die mit synthetisch hergestellten Kraftstoffen betrieben werden. Auch hier gibt es überhaupt keinen Widerspruch, da gerade diese beiden Alternativen Teil der Elektromobilität sind. Sowohl die Produktion des Wasserstoffs für die Brennstoffzellen als auch die Herstellung synthetischer Kraftstoffe läuft auf elektrischem Wege im Sinne eine power-to-gas Technologie. In beiden Fällen wird der für die Fortbewegung notwendige Strom nicht chemisch gespeichert in der Batterie mitgeführt, sondern im Vorfeld zu Herstellung des Energieträgers eingesetzt, der dann im Auto anstelle einer Batterie mitgeführt wird. Auch diese beiden Alternativen werden mit jedem zusätzlichen Prozentpunkt an regenerativer Stromproduktion ökologisch sinnvoller und sind nicht im eigentlichen Sinne eine Alternative, sondern eher eine Variation des Elektroautos. Daher gibt es auch keinen Grund Brennstoffzelle, synthetischen Kraftstoff und batteriebetriebene Fahrzeuge gegeneinander auszuspielen, sondern vielmehr zu erkennen, dass all diese Varianten ihre Berechtigung in dem sich wandelnden Mobilitätssystem haben.

Wer nach all dem immer noch zweifelt, dem sei ein Blick auf die weltweiten Investitionen in die Elektromobilität empfohlen, bei denen übrigens der VW Konzern zu den Vorreitern gehört. In den nächsten 5-10 Jahren werden laut einer erhellenden Grafik von Reuters (10.1.19) immerhin 300 Milliarden Dollar von Autoherstellern rund um den Globus investiert. Das ist nicht nur eine gewaltige Summe, sondern zeigt, dass in der ganzen Branche weltweit Einigkeit besteht, dass die Elektromobilität die Zukunftstechnologie ist, die für sie wirtschaftlich interessant ist. Fast die Hälfte dieser Summe landet in China, das Stück für Stück Europa abzuhängen scheint. Sicherlich sind die Unternehmen wie üblich daran interessiert, ihr Geld gewinnbringend zu investieren. Auch das ist ein klarer Beleg dafür, dass die Zukunft der Elektromobilität gehört. Die Frage angesichts mancher ideologischer Debatte in unserem Land ist daher weniger das ob, als vielmehr das wann. Denn wenn Deutschland glaubt, zögern und zaudern zu wollen, dann gehen die Investitionen und Arbeitsplätze eben nach China und wir schauen in die Röhre.

Da ist es doch besser, die Elektromobilität als Chance auch für unser Land zu begreifen, anstatt mit vorgeschobenen Argumenten und mit falsch verstandener Nostalgie eine Entwicklung aufhalten zu wollen, die längst Fahrt aufgenommen hat. In diesem Sinne sollten wir auf ideologische Grabenkämpfe verzichten und uns darauf konzentrieren, den Prozess der Umstellung auf Elektromobilität engagiert und mit Vernunft zu gestalten.

Beitragsbild: Volkswagen AG

Der Tod des Diesels kommt nicht plötzlich, sondern schleichend, aber er kommt. Dabei geht es allerdings schon lange nicht mehr um die Frage, ob der Verzicht auf diesen Motorentyp überhaupt vernünftig ist. Denn vieles spricht nach wie vor für den Einsatz dieser Aggregate, man denke nur an den bislang deutlich geringeren CO2-Ausstoß, das höhere Drehmoment, den besseren Wirkungsgrad oder auch an die geringeren Kraftstoffkosten gegenüber der Benzinversion.

Dennoch haben Hersteller und Politik gemeinsam in verantwortungsloser Weise alles dafür getan, den Ruf des Diesels zu ruinieren und jegliches Vertrauen der Verbraucher zu zerstören. Das liegt nicht allein an der berühmten Dieselgate Affäre rund um den VW Konzern. Denn aus den Erhebungen des Umweltbundesamtes geht hervor, dass die Stickoxidemissionen auf breiter Front und bei allen Euro-Normen einschließlich Euro 6 um ein Vielfaches gegenüber den festgelegten Grenzwerten im realen Straßenverkehr überschritten werden. Wenn Forscher dann noch ermitteln, dass Tausende vorzeitiger Todesfälle auf genau diese erhöhten Stickoxidemissionen zurückzuführen sind, ist der Cocktail perfekt, um dem Diesel sein Ende zu bereiten. In der Politik wurde das Thema bereits aufgegriffen und mit der Ankündigung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge beispielsweise in Städten wie Hamburg und Stuttgart garniert. Selbst wenn diese am Ende nicht kommen sollten und die Ankündigungen mehr auf politisches Taktieren zurückzuführen sein mögen, ist die Verunsicherung insgesamt schon heute so groß, dass die Bevölkerung sich vom Diesel aus der Angst heraus abwendet, dass sie tatsächlich das Fahrzeug eines Tages stehen lassen oder teuer umrüsten müssen.  

Volvo hat nun als erster Hersteller die Konsequenz gezogen und die Reißleine beim Diesel gezogen. Eine neue Baureihe wird es wohl nicht mehr geben und die aktuellen Motoren werden wohl nur noch einige wenige Jahre Bestand haben. Aufgrund der gesamten Stimmung und der Verunsicherung der Verbraucher ist davon auszugehen, dass auch weitere Hersteller sich aus der Dieselentwicklung zurückziehen und stattdessen auf das Zukunftspferd Elektro setzen werden, von dem sie sich im Gegensatz zum Diesel steigende Umsätze versprechen.

Als Fahrlehrer sind wir gut beraten, diese Entwicklung nicht nur klar gegenüber unseren Kunden zu kommunizieren, sondern auch rechtzeitig an den eigenen Fuhrpark zu denken. Nach einer nun startenden Übergangsphase wird es vermutlich schon um 2020 herum nicht mehr sinnvoll sein, sich als Fahrschule noch Selbstzünder zuzulegen, schon allein weil der Wiederverkaufswert drastisch sinken dürfte. Wenn die Fahrverbote in verschiedenen Städten tatsächlich kommen, wird sich der Prozess vielleicht noch erheblich beschleunigen. In diesem Zusammenhang hilft es auch nichts, wenn Fahrschulverbände die Politik um Ausnahmegenehmigungen für Fahrschulen bitten, auch wenn das gut gemeint sein mag. Denn was würden wir als Fahrschulen für ein Bild in der Gesellschaft abgeben, wenn wir auf zu recht oder unrecht gebrandmarkten “Dreckschleudern” unsere Ausbildung durchführen würden? Wir sollten daher in Zukunft genau hinsehen und unseren Fuhrpark ggfs. anpassen, damit wir erst gar nicht in die Verdrückung kommen, auf den Goodwill der Politik angewiesen zu sein. Und da das Auto eines voll arbeitenden Fahrlehrers eh alle 2-3 Jahre zu ersetzen ist, kommt es hier auch nicht zu übermäßigen Belastungen.

Sollten Fahrschulen schon jetzt anfangen, ihre Dieselautos abzustoßen?

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Schon rein statistisch gesehen war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Wagen der Firma Tesla mit aktiviertem Fahrassistenzsystem in einen schweren Unfall verwickelt sein würde. Bösartig formuliert könnte man sagen, die Kritiker der elektronischen Assistenten hätten geradezu auf diesen Moment gewartet angesichts der Flut an Artikeln, die sich nun mit diesem Thema beschäftigen und oft von Argwohn gegenüber der neuen Technik geprägt sind. Auf den ersten Blick mag der tragische Unfall am 7. Mai mit tödlichem Ausgang in Florida eine Schlagzeile wert sein, weil die ganze Welt das Treiben von Tesla und dem Gründer Elon Musk beobachtet.

Allerdings scheint es der Umkehr von Ursache und Wirkung zu bedürfen, um aus dem bisher bekannten Unfallgeschehen eine Sensation kreieren zu können oder gar der Weiterentwicklung von Assistenzsystemen eine Absage zu erteilen. Denn alles deutet darauf hin, dass es sich in erster Linie wie so oft um menschliches Versagen gehandelt und die Technik genau genommen nur eine sekundäre Rolle gespielt hat. Wie einem ausführlichen Bericht der New York Times oder auch der Darstellung von Tesla in deren Blogeintrag zu entnehmen sind, wurde der Unfall dadurch verursacht, dass ein Lastwagenfahrer beim Linksabbiegen auf dem Highway offenbar dem Fahrer des Tesla den Vorrang genommen hat, wie ihn die Infografik der Süddeutschen Zeitung illustriert. .

Unfallverlauf des Tesla S / SZ Infografik
Unfallverlauf des Tesla S in Florida / SZ Infografik

Demnach kommt zunächst einmal als eigentlicher Unfallverursacher der Fahrer des Lastwagens in Betracht, auch wenn endgültige Analysen noch ausstehen. Hinzu kommt, dass der Fahrer des Tesla S anscheinend gar nicht reagiert hat und der Wagen ungebremst unter den Anhänger des Lastwagens gerast ist. Dies deutet daraufhin, dass der Fahrer des Tesla in hohem Maß abgelenkt war und er sich über alle Warnhinweise hinweggesetzt hat, die verlangen, dass er auch bei aktiviertem Assistenzsystem die Hände am oder beim Lenkrad lassen und stets eingriffbereit sein muss. Ob er wirklich wie vermutet auf einem Laptop einen Videofilm betrachtete, wird die weitere Unfallanalyse noch genauer untersuchen. Vieles spricht daher dafür, dass es zwei menschliche Fehler waren, die in ihrer Verkettung zur Tragödie geführt haben.

Die Technik hingegen hat es in diesem Fall schlicht (noch) nicht vermocht, das menschliche Fehlverhalten zu kompensieren. Denn für dieses Unfallszenario war die Technik auch gar nicht ausgelegt wie die Firma Mobileye mitteilte, welche das Kamerasystem für den Tesla produziert. Erst 2018 rechne man durch Verbesserungen des Systems damit, auch den hier dargestellten Unfalltypus vorab erkennen und schlussendlich verhindern zu können.

Schließlich ist auch festzuhalten, dass die Technik keinen fehlerhaften Eingriff begangen hat, den der Mensch nicht mehr auszugleichen in der Lage war. Vielmehr hat das System schlicht gar nicht reagiert, weil es darauf noch noch nicht entsprechend vorbereitet war. Allerdings haben Tesla und Elon Musk auch niemals behauptet, dass es sich um ein ausgereiftes System handele, mit dem autonomes Fahren möglich sei. Wer dies dennoch suggeriert, um Schlagzeilen zu produzieren, wird der Sache nicht gerecht. Genausogut könnte man Handyherstellern vorwerfen, ihre Geräte seien für Unfälle verantwortlich, weil die Fahrer sie während der Fahrt benutzen und sich dadurch ablenken lassen.

Das Tesla Model S in der Kritik / Quelle: Teslamotors, Alexis Georgeson
Das Tesla Model S zu Unrecht in der Kritik / Quelle: Teslamotors, Alexis Georgeson

Noch sind es die Fahrer selbst, die die Hauptverantwortung für ihr Handeln Verkehrsgeschehen innehaben. Es wäre daher unfair, in Fällen wie dem hier geschilderten die Schuld der Technik in die Schuhe schieben zu wollen und die Fahrer aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Ohne Zweifel wird es in Zukunft Unfälle geben, bei denen tatsächlich auch technisches Versagen in Form fehlerhafter oder eigentlich zu erwartender Eingriffe von Assistenzsystemen die Hauptrolle spielen wird. Dies wird dann aber dazu führen müssen, aus den Unfällen zu lernen und die Technik weiter zu verbessern anstatt sie zu verteufeln. Denn der “Risikofaktor Mensch” wird auf moderne Assistenzsysteme angewiesen sein, wenn er die Unfallzahlen maßgeblich senken will.

Seit der Erfindung des Rades ist der Mensch darum bemüht, den Transport von sich und seinen Waren über große Distanzen möglichst effizient, schnell und komfortabel zu bewerkstelligen. Jahrhundertelang waren dabei kaum nennenswerte Entwicklungen zu vermelden, bis mit der Erfindung der Dampfmaschine (Züge), des Automobils sowie der Luftfahrtechnik ein ungeahntes Maß an Transporttätigkeit auf dem ganzen Planeten eingesetzt hat. Neben den Errungenschaften in der Medizin, der einsetzenden Demokratisierung oder den Fortschritten in der Kommunikation gehört die Mobilität zweifelsohne zu den tragenden Säulen einer prosperierenden Gesellschaft.

Den unbestrittenen Vorzügen der Nutzung von Mobilitätstechniken stehen allerdings auch die Gefahren und Probleme gegenüber, die sich Jahr für Jahr weltweit in millionenfachen Unfällen mit einer hohen Zahl an verletzten und auch getöteten Menschen manifestieren. Gerade im Automobilsektor sind es dabei jedoch nicht die Zuverlässigkeit der Technik, sondern die Unzulänglichkeit und Fehlbarkeit des Menschen, die an erster Stelle der Unfallursachen zu nennen sind. Es ist davon auszugehen, dass über 90% aller Unfälle auf das Fehlverhalten von Menschen zurückzuführen sind und der Mensch damit den Hauptrisikofaktor darstellt, wie Studien des amerikanischen Verkehrsministeriums [1] oder der deutschen Dekra nahelegen [2]. Emotionale Befindlichkeiten, Übermüdung, Ablenkung oder der Einfluss von Medikamenten, Drogen und Alkohol führen dabei als Beispiele zu Fahrten mit nicht angepasster Geschwindigkeit oder zum Unterschreiten der geforderten Sicherheitsabstände, was dann zu entsprechenden Unfallereignissen führt, die das Statistische Bundesamt jährlich eindrucksvoll zusammenfasst [3]. Trotz intensiver Bemühungen im Bereich der Fahrausbildung oder der Unfallprävention durch verschiedene öffentliche Aufklärungskampagnen scheint es bis heute leider ein hoffnungsloses Unterfangen zu sein, dem Menschen einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Auto im Straßenverkehr vermitteln zu wollen, wenn er beispielsweise nicht einmal in der Lage ist, vor der Nutzung eines Autos auf den Genuss von berauschenden Mitteln zu verzichten.

Das Forschungsfahrzeug F 015 von Mercedes-Benz. Copyright Daimler
Einen Blick in eine mögliche Zukunft des Automobilbaus wirft Mercedes-Benz mit dem Forschungsfahrzeug F 015. © Daimler

Die voranschreitende Automatisierung des Autofahrens bietet in diesem Zusammenhang eine große Chance. Denn durch den Einsatz moderner Sensor- und Steuerungstechnik wird es zunehmend möglich sein, das Fehlverhalten des Menschen zu kompensieren und so im Laufe der nächsten Jahrzehnte weltweit die Zahl der Unfälle dramatisch zu senken, was sich schon allein aus den oben genannten Zahlen der vom Menschen verursachten Unfälle ergibt. Eine massive Reduzierung verringert dabei in erster Linie das Leid, das aus schweren und schwersten Unfällen den Opfern und Angehörigen erwächst und zum anderen werden die aus Unfällen unnötigerweise anfallenden Kosten minimiert, was nicht zuletzt einen enorm positiven volkswirtschaftlichen Effekt zur Folge haben wird. Thomas Winkle von der Technischen Universität München hat diese Annahme in einer aktuellen Studie untermauert [7]. Darüber hinaus steckt in der Fahrzeugautomatisierung die noch vielleicht größte Freiheits- und Produktivitätsreserve des Menschen überhaupt. Denn weltweit wird eine gigantische Menge an wertvoller Lebenszeit dafür verwendet, von A nach B zu gelangen. In einem Vortrag darüber, wie autonome Fahrzeuge ihre Umwelt wahrnehmen, führt Chris Urmson, Leiter der Abteilung selbstfahrender Autos bei Google, dazu aus, dass allein in den USA täglich 6 Milliarden Minuten an Lebenszeit in den Autos verschwendet werden [4]. Wenn künftig teilautonome und später auch vollautonome Fahrzeuge die Menschen bei der individuellen Transportarbeit entlasten, steigt die Lebensqualität und es wird genau die Art von Freiheit gewonnen werden, die viele heute schon in Zügen und anderen Fortbewegungsmitteln genießen.

Dass selbst das vollautonom funktionierende Fahrzeug längst keine reine Utopie mehr ist, hat Google in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen mit realen Fahrzeugen, die im realen Straßenverkehr bereits getestet werden und trotz siebenstelliger Kilometerzahlen bis Oktober 2015 nicht einen einzigen Unfall verursacht haben [5,6]. Diese bislang positive Bilanz soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch viele Hürden auf dem Weg zur neuen Autowelt zu nehmen sind und der faszinierende Transformationsprozess erst ganz am Anfang steht. Auf die noch zahlreichen technischen, rechtlichen und versicherungsmathematischen Herausforderungen soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Vielmehr sollen hier die derzeit heftig diskutierten Grundsatzfragen nach der Ethik und der damit eng verbundenen Frage nach der Akzeptanz autonomer Fahrzeuge innerhalb der Bevölkerung angesprochen werden.

Derzeit herrscht hinsichtlich der Akzeptanz noch ein sehr uneinheitliches Bild über den Einsatz autonomer Fahrzeuge und es kursieren viele unterschiedliche Umfragen mit zum Teil sehr diffusen Ergebnissen dazu in den Medien. Anscheinend sind die Menschen einerseits durchaus interessiert an und offen gegenüber technologischem Fortschritt und das auch über viele Ländergrenzen hinweg. Aber auf der anderen Seite besteht trotz allen Wissens um die von Menschen begangenen Fehler im Verkehr noch ein großes Unbehagen, dem Fahrzeug ein höheres oder höchstes Maß an Kontrolle zu übertragen. Diese “Ambivalenz” konstatieren auch Fraedrich und Lenz in ihrer Untersuchung: “Während das autonome Fahrzeug als solches eine vornehmlich positive Bewertung erfährt, gibt es doch gleichzeitig ein ausgeprägtes Misstrauen und eine deutliche Skepsis bis hin zur Ablehnung gegenüber dem autonomen Fahren und der Einführung von autonomen Fahrzeugen in das Verkehrssystem. Diese Einstellung ist besonders häufig mit der Angst vor negativen sozialen Folgen, aber auch vor dem Verlust von Freiheit assoziiert.”[8] Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Menschen in den Umfragen angesichts fehlender praktischer Erfahrungen und der Vielzahl an diskutierten Systemen lediglich aus einer Vorstellung heraus Antworten geben können. Erst wenn in den nächsten Jahren neben den bereits existierenden teilautomatisierten auch hoch- und später vollautomatisierte Systeme auf dem Markt und einer breiten Masse zugänglich sein werden, wird es möglich sein herauszufinden, ob die Menschen ein auf empirischen Erfahrungen basierendes Vertrauen in die technischen Möglichkeiten gewinnen werden.

Sensorik des Audi RS7. &copy Audi
automatisiertes Fahren benötigt eine ausgeklügelte Sensorik – hier am Beispiel des Audi RS 7. © Audi

Als vertrauensbildende Maßnahme wird man dabei auch die derzeit viel diskutierten Fragen beantworten müssen, wie sich die Autos der Zukunft in Extremsituationen verhalten. Denn auch mit der besten Technik werden sich Unfälle nicht vollständig ausschließen lassen. Da wird es zum einen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Redundanzen zu Ausfällen und Fehlfunktionen der Sensor- und Steuerungstechnik kommen, dann bestehen Gefahren durch externe Softwaremanipulationen und schließlich lassen sich manche Unfälle schlicht aufgrund der physikalischen Gegebenheiten nicht mehr verhindern. Im Vergleich zur heutigen Anzahl an Unfällen werden solche Ereignisse gewiss sehr selten sein, aber gleichwohl ist zu klären, wie die Fahrzeuge dann im Rahmen ihrer Programmierung reagieren.

Der Philosoph Patrick Lin von der polytechnischen staatlichen Universität in Kalifornien diskutiert dazu in seinen Arbeiten eine ganze Reihe von Szenarien [9,10]. Unter anderem präsentiert er das Gedankenexperiment, dass das Auto urplötzlich vor die Wahl gestellt wird, entweder eine 80-jährige Großmutter oder ein 8-jähriges Mädchen oder beide zu überfahren. Diese Vorstellung ist sicherlich nicht ganz abwegig, wenn man davon ausgeht, dass in einem innerstädtischen Rahmen beide Personen von unterschiedlichen Seiten unvermittelt und unachtsam auf die Fahrbahn treten und eine Kollision aufgrund der Länge des Bremswegs nicht mehr vermieden werden kann. Das Auto muss sich daher entscheiden, ob es durch ein Ausweichmanöver das Mädchen oder die Großmutter, oder durch den Verzicht auf eine Reaktion beide Personen erfasst. Dabei handelt es sich um ein klassisches moralisches Dilemma, das in verschiedenen Spielarten beleuchtet werden kann. Lin ergänzt zum Beispiel einen Fall, bei dem das Auto entscheiden muss, ob es seinen eigenen Fahrer zugunsten anderer im Verkehr opfert, indem es über eine Klippe fährt und in die Tiefe stürzt, um so einen Unfall mit Kindern zu verhindern. Die Schwierigkeit liegt hierbei laut Lin vor allem darin, dass ein menschlicher Fahrer in solchen Situationen instinktiv, intuitiv und ohne rationale Überlegung reagiert, während ein autonomes Fahrzeug für solche Fälle von seiner Programmierung her gerüstet sein muss. Ein Programmierer hat demnach solche Szenarien lange vor dem tatsächlichen Unfall mit seinen unterschiedlichen denkbaren Konsequenzen durchgespielt und dem Auto die zu treffende Entscheidung vorgegeben. Und genau darin liegt das große Problem. Denn der Programmierer hat im Gegensatz zum menschlichen Fahrer in der akuten Situation viel Zeit, verschiedene Parameter, Kriterien, Ergebnisse von Sensordaten etc. für eine vermeintlich gute oder richtige Entscheidung einfließen zu lassen. Hier muss sich aber erst die Gesellschaft darauf verständigen, wie denn in solchen Fällen eine den Umständen entsprechende richtige Entscheidung aussehen soll. Diese kann unmöglich von den Herstellern und deren Programmierern getroffen werden, sondern ist als gesamtgesellschaftlicher Prozess zu begreifen, für den es nicht nur zur moralischen, sondern auch zur rechtlichen Absicherung einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Im Optimalfall wird eine solche Regelung auf Basis einer sehr breit geführten öffentlichen Debatte mit einer am Schluss sehr großen politischen Mehrheit auf den Weg gebracht, um so die Akzeptanz zu erhöhen.

Denn die Entscheidung über Leben und Tod in technischen Grenzbereichen ist sicherlich alles andere als leicht. Im oben geschilderten Fall der zu treffenden Entscheidung, ob das Mädchen, die Großmutter oder beide überfahren werden, gibt es verschiedene Herangehensweisen, die auch Lin in seinen Überlegungen berücksichtigt. Aus einer angelsächsischen Perspektive, die stark dem Konsequentialismus verbunden ist, wird man die Entscheidung vielleicht an den Folgen der Handlung festmachen wollen und würde argumentieren, dass das Mädchen geschützt und die Großmutter geopfert werden solle, weil die eine noch ihr ganzes Leben vor sich hat. Der berühmte Spruch bei sinkenden Schiffen mit Blick auf die Besetzung der Rettungsboote “Frauen und Kinder zuerst” ist dabei ganz analog Ausdruck der Idee, dass man in einer Notsituation nicht zuletzt auch aus dem Gedanken an einen gesellschaftlichen Nutzen heraus eine Abwägung treffen darf und vielleicht sogar muss, die darauf abzielt, den “Wert” verschiedener Leben gegeneinander abzustufen. Sollte also das Auto in jedem Fall das Mädchen retten und lässt sich das auf eine Vielzahl von Fällen pauschalisieren? Spinnt man einmal das Gedankenexperiment von Lin weiter und nimmt an, dass das Mädchen gerade auf dem Weg zum Arzt ist und dort erfahren wird, dass es aufgrund einer tödlichen Krankheit nur noch wenige Wochen zu leben hat. Und nimmt man weiterhin an, dass es sich bei der Großmutter um eine berühmte medizinische Forscherin handelt, die auf ihrem Weg eine zündende Idee zur Therapie von Alzheimer hatte, wovon unzählige Menschen profitieren könnten. Würde man dann im Rahmen einer utilitaristischen Kosten-Nutzen-Rechnung immer noch das Mädchen retten wollen? Vermutlich nicht, aber man würde kaum von einem Menschen oder einem Auto verlangen wollen, alle denkbaren Rahmenbedingungen analysieren und vorhersehen zu können.

Einparken mit Fernbedienung. & BMW AG, München
Das Einparken erfolgt vielleicht schon bald außerhalb des Fahrzeugs per Fernbedienung. © BMW AG, München

Unabhängig von den Fähigkeiten der Sensoren und der Algorithmen zur Analyse und zum Umgang mit einer solchen Situation, scheint es kaum denkbar zu sein, angemessene Kriterien finden zu können, mit denen man auch nur annäherungsweise den Wert eines Lebens in solchen Unfallszenarien als schützenswert gegenüber einem anderen einstufen könnte, um daraus eine passende und allgemeingültige Entscheidung ableiten zu können. In Deutschland ist man traditionell eher skeptisch gegenüber solchen Strategien, die sich an den Folgen orientieren und zielt mehr im kantianischen, deontologischen Sinne auf die Handlung selbst bzw. auf die Motivation zu einer Handlung ab. Wie sehr es hierzulande verpönt ist, Menschenleben zahlenmäßig gegeneinander aufzuwiegen, hat der berühmte Fall des Luftsicherheitsgesetzes gezeigt. Unter dem Eindruck der Anschläge des 11. September 2001 hatte die Bundesregierung 2005 ein Gesetz verabschiedet, nach dem es hätte möglich sein sollen, im Extremfall ein Passagierflugzeug abzuschießen, um dadurch andere Leben zu retten. Man wollte also als Beispiel die vielleicht 200 Passagiere eines Flugzeugs opfern, um so vielleicht 10 000 Menschen in einem Fußballstadion zu retten. Genau eine solche Rechnung verbietet sich aber nach unserem Grundgesetz gemäß Artikel 1 und der darin verankerten unantastbaren Würde des Menschen. Somit wurde dieses Gesetz vom Bundesverfassungsgericht 2006 als verfassungswidrig eingestuft [11]. Daher ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass in Deutschland ein Gesetz für autonome Fahrzeuge anerkannt würde, nach welchem eine Abwägung von Menschenleben stattfindet. Allerdings gerät man dann in die Situation, dass man sowohl das Mädchen als auch die Großmutter opfern müsste, wenn das Fällen einer Entscheidung anhand welcher Kriterien auch immer unzulässig wäre. Dabei stellte allerdings auch die Entscheidung zum Nicht-Handeln eine eigene Form der Entscheidung für den Programmierer dar, die viele sicherlich auch zurückweisen würden.

Es ist gerade das Wesen des moralischen Dilemmas, dass es am Ende keine Lösung gibt, die das Prädikat richtig oder falsch verdient. Es gibt nur unterschiedliche Herangehensweisen wie die geschilderten deontologischen oder konsequentionalistischen Ansätze, mit denen man dann zu einer Entscheidung gelangt, die akzeptabel erscheint. Gerdes und Thornton von der Universität Stanford wagen in ihrem Aufsatz erste Schritte dazu, die beiden Ansätze zu kombinieren und daraus ein für autonome Autos implementierbares ethisches Regelwerk zu formulieren [12]. Zugegebenermaßen umgehen sie aber schlussendlich auch eine Lösung für die Entscheidung, ob jetzt im oberen Fall das Mädchen, die Großmutter oder beide zu erfassen sind.

Vielleicht wird man schlussendlich doch auf die von Lin [10] angesprochene, aber durchaus von ihm skeptisch betrachtete Lösung zurückgreifen, in manchen Situationen auch dem Zufall eine Chance zu geben, also gewisse Entscheidungen über einen Zufallsalgorithmus zu treffen. Dies könnte dann der Fall sein, wenn alle andere Parameter versagen. Zunächst sollte das Auto im Sinne von Gerdes alles dafür tun, um eine Kollision an sich, hierarchisch gegliedert, mit Gegenständen, anderen Fahrzeugen oder Menschen zu vermeiden. In einem zweiten Schritt könnte man dann bei nicht vermeidbaren Kollisionen eine Priorisierung nach dem aus den Sensordaten erwartbaren Schaden vornehmen. Es ließe sich dabei beispielsweise unterscheiden nach dem Erwartungswert Sachschaden oder Personenschaden, wobei diese sich noch weiter differenzieren ließen nach Art und Schwere des Schadens. Gelangt man dann auf eine Ebene, in der ähnliche Schäden innerhalb einer Kategorie zu erwarten sind, dann wird die Entscheidung dem Zufall überlassen. Im hier immer wieder angeführten Beispiel hieße das: Erwartungswert 1 für Großmutter entspricht dem Erwartungswert 2 für das Mädchen, nämlich jeweils schwere bis tödliche Verletzung. In einer solchen Situation wäre es  dann gerechtfertigt, den “Zufall” entscheiden zu lassen, da das moralische Dilemma wie erwähnt keine abschließend richtige Lösung erwarten lässt.

Schlussendlich muss auf dem Weg zu immer stärker automatisiert agierenden Fahrzeuge klar gesagt und akzeptiert werden, dass es auch mit solchen Fahrzeugen Unfälle geben wird und sich Risiken nicht auf null reduzieren lassen. Es wäre aber nicht gerechtfertigt, deshalb den Prozess der Automatisierung aufhalten zu wollen, nur weil die Technik im Bereich der auftretenden moralischen Dilemmata nicht zu einer “richtigen” Lösung fähig ist. Denn man darf nicht vergessen, dass auch der Mensch nicht zu einer solchen Lösung gelangen kann. Es scheint, als ob sich vielmehr die Skeptiker einer automatisierten Fahrweise dieses Argument zu Nutze machen wollen, um so die Entwicklung zu verzögern. Besser aber wäre es, auch zum Wohle der Allgemeinheit die Automatisierung der Fahrzeuge zu befördern und nach Kräften zu unterstützen. In den nächsten Jahren wird man dann auf dem Weg vom teil-, über das hoch-, bis hin zum vollautomatisierten Fahren viele Erfahrungen sammeln können, um die Prozesse zu verfeinern, zu verbessern und die ethischen Regelwerke zu optimieren. Eine solche Optimierung wird auch aus den Erfahrungen aus Unfällen resultieren, das muss man offen zugestehen. Denn der Mensch hat seine verwendeten Techniken auch immer gerade im Angesicht von Unfällen und deren Analyse verbessert, um damit wiederum vergleichbare Unfälle zu vermeiden. Dies wird auch auf dem Weg zum autonomen Fahren so sein.

[1] Singh, Santokh: Critical reasons for crashes investigated in the National Motor Vehicle Crash Causation Survey, in: Traffic Safety Facts Crash•Stats. Report No. DOT HS 812 115. Washington, DC: National Highway Trafic Safety Administration (2015), unter: http://www-nrd.nhtsa.dot.gov/pubs/812115.pdf [abgerufen am: 08.11.2015]

[2] Dekra Automobil GmbH: Verkehrssicherheitsreport 2012 Mensch und Technik, unter: http://www.dekra.de/de/verkehrssicherheitsreport-2012 [abgerufen am: 7.11.2015]

[3] Statistisches Bundesamt: Verkehrsunfälle Zeitreihen 2014, unter: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/TransportVerkehr/Verkehrsunfaelle/VerkehrsunfaelleZeitreihenPDF_5462403.pdf?__blob=publicationFile [abgerufen am: 7.11.2015]

[4] Urmson, Chris: How a driverless car sees the road, in: Ted Talks (März 2015), ab Minute 1:49 unter: https://www.ted.com/talks/chris_urmson_how_a_driverless_car_sees_the_road [abgerufen am 8.11.2015]

[5] Google self driving project: A ride in the google self driving car, in: You tube unter: https://www.youtube.com/watch?v=TsaES–OTzM [abgerufen am: 8.11.2015]

[6] Hulverscheidt, Claus: Crash Kurs mit Google, in: Süddeutsche Zeitung, 10. Oktober 2015 unter: http://www.sueddeutsche.de/auto/autonomes-fahren-crash-kurs-mit-google-1.2684782 [abgerufen am: 8.11.2015]

[7] Winkle, Thomas: Sicherheitspotenzial automatisierter Fahrzeuge: Erkenntnisse aus der Unfallforschung, in: Autonomes Fahren, hrsg. v. M.Maurer et al., 2015, S. 351-374

[8] Fraedrich, Eva und Lenz, Barbara: Gesellschaftliche und individuelle Akzeptanz des autonomen Fahrens, in: Autonomes Fahren, hrsg. v. M.Maurer et al., 2015, S. 655f.

[9] Lin, Patrick: Why Ethics Matters for Autonomous Cars, in: Autonomes Fahren, hrsg. v. M.Maurer et al., 2015, S.70-85

[10] Lin, Patrick: The robot car of tomorrow might just be programmed to hit you, unter: http://www.wired.com/2014/05/the-robot-car-of-tomorrow-might-just-be-programmed-to-hit-you (2014), [abgerufen am: 22.11.2015]

[11] BVerfG, 1 BvR 357/05 vom 15.02.2006, Rn. (1-156), unter
http://www.bverfg.de/e/rs20060215_1bvr035705.html , [abgerufen am: 22.11.2015]

[12] Gerdes, Christian J., Thornton Sarah M.: Implementable Ethics for Autonomous Vehicles, in: Autonomes Fahren, hrsg. v. M. Maurer et al.,2015, S. 88-102