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Verkehrssicherheit

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Mit ungewöhnlich viel Elan hat sich die Politik in den letzten Monaten für das Begleitete Fahren mit 16 (BF 16) stark gemacht. Zunächst haben sich vor allem Bundesländer im Norden wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Brandenburg zu Wort gemeldet. Mitte April hat dann auch die Verkehrsministerkonferenz nachgelegt und fordert einen Modellversuch für Deutschland, den die EU-Kommission absegnen soll. 

BF 17 war und ist zweifellos ein großer Erfolg und hat die Verkehrssicherheit hierzulande gestärkt. Da mag es auf den ersten Blick naheliegen, die Begleitphase einfach auszudehnen, um dadurch junge Fahrerinnen und Fahrer zu gewinnen, die noch mehr Erfahrung haben, wenn sie dann ganz alleine in den Verkehr starten. Bevor wir uns aber alle jubilierend auf den Weg machen und das Heil in BF 16 suchen, sollten wir uns auch mit kritischen Fragen beschäftigen.

Im Idealfall wird ein 16-Jähriger direkt nach seinem Geburtstag über zwei Jahre hinweg mit seinen Eltern oder anderen Begleitern regelmäßig Fahrerfahrung sammeln und ist dann bestens vorbereitet, eigenständig und selbstverantwortlich im Straßenverkehr unterwegs zu sein. So weit so gut. Doch ist dieser Idealfall auch wirklich Standard? 

Das beginnt mit der Frage nach dem Bedarf nach BF 16. Während in ländlichen Gebieten der Zugriff auf ein Auto für viele junge Menschen nach wie vor essentiell ist, erleben wir im urbanen Umfeld, dass Führerschein und ein eigenes Auto immer mehr an Bedeutung verlieren. So kann es in Städten leicht passieren, dass nach dem Führerscheinerwerb eine lange Phase ohne jegliche Autonutzung erfolgt. Die hohen Kosten für das eigene Auto, immer besser ausgebauter ÖPNV oder die Fokussierung auf andere Statussymbole wie das Smartphone tragen dazu bei, dass für Jugendliche das Autofahren nicht mehr im Vordergrund steht. Häufig sind es dann die berühmten Helikoptereltern, die ihre Schützlinge förmlich in die Fahrschule zwingen. Solche Eltern sind dann auch leicht versucht, den Führerscheinerwerb nur deshalb früh einzufordern, damit später mehr Zeit z.B. für den Schulabschluss oder andere Dinge bleibt. Wenn nur aus solchen Gründen die Fahrschule besucht wird und nach der Prüfung keine Fahrerfahrung erfolgt, dann kann ein 16 Jähriger nicht von der Maßnahme profitieren, sondern hat vielleicht lediglich eine größere Fahrpause als bislang. Das kann zugegebenermaßen auch alles bei BF 17 passieren, nur werden die Zeitspannen eben größer.

Besteht aber kein wirkliches Interesse am Führerschein und sind in erster Linie Eltern die treibende Kraft, dann wird vielleicht auch die Motivation im Rahmen der Ausbildung nicht allzu hoch ausfallen. Auch das gibt es bei BF 17, könnte aber durchaus bei BF 16 ein größeres Problem werden, wenn die jungen Menschen gedanklich doch noch ein ganzes Stück weiter vom Erwachsenenalter entfernt sind und sich vielleicht nicht mit der gewünschten Aufmerksamkeit ihrer Ausbildung widmen. Hier muss man auch darüber diskutieren, ob man grundsätzlich bei jungen Menschen mit 15 1/2 Jahren davon ausgehen darf, dass stets die nötige persönliche Reife vorhanden ist, die wir für eine Füherscheinausbildung erwarten. 

Wirkliches Ungemach droht aber vielleicht von ganz anderer Seite. Denn was machen wir denn in Zeiten des Fahrlehrermangels, wenn kurzfristig eine ganze Generation zusätzlich vor der Türe steht? Wenn wir die Wurst BF 16 ins Schaufenster hängen, die Kunden dann aber nicht mehr bedienen können, erzeugt das auf allen Seiten Frust. In vielen Teilen Deutschlands kämpfen Fahrschulen heute schon mit Personalengpässen und haben gar nicht mehr die Ressourcen, noch mehr Kunden auszubilden. So könnte das Projekt BF 16 im ungünstigen Fall zum Rohrkrepierer werden, wenn die Ausbildung gar nicht in angemessener Zeit vorgenommen werden kann oder womöglich unter Inkaufnahme von Qualitätseinbußen durchgeführt wird. Etwas überspitzt könnte man fragen, welchen Sinn BF 16 hat, wenn die Ausbildung erst kurz vor dem 18. Geburtstag beendet werden kann.

Ich selbst bilde mit Freude 17-Jährige aus und habe auch viele positive Erfahrungen mit BF 17 gemacht. Keinesfalls würde ich mich daher per se gegen BF 16 wenden wollen. Allerdings sollten wir die Kapazitäten der Fahrschulen, die Rahmenbedingungen der Schüler und dabei insbesondere deren tatsächlichen Bedarf sowie deren Motivation zur Ausbildung in alle weiteren Überlegungen mit einbeziehen. Einer flächendeckenden Einführung auf einen Schlag würde ich skeptisch gegenüber stehen. Ein Modellversuch in einigen Bundesländern mit entsprechender Evaluation und einer Differenzierung nach den genannten Paramatern hingegen mag der richtige Weg sein, um eine abschließend Bewertung vornehmen zu können.

Soll es unter dem Eindruck der Coronakrise künftig online-Unterricht in Fahrschulen geben?

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Der 30. März 2017 dürfte mit einer geradezu spektakulären Anpassung des Straßenverkehrsgesetzes in die Geschichtsbücher der Mobilität in Deutschland eingehen. 1886 markierte noch das Geburtsjahr einer Erfindung, die als Automobil einen Siegeszug rund um den Globus antreten sollte. Seit diesem Zeitpunkt hat sich die Technik der Autos kontinuierlich weiterentwickelt. Sie wurden Stück für Stück sicherer, leistungsstärker, schneller und komfortabler. Doch am grundlegenden Prinzip einer fremdkraftbetriebenen, aber von Menschen geführten Maschine änderte sich eigentlich nichts. Die Maschine lieferte die Energie für den Vortrieb und der Mensch steuerte das ganze Gefährt mit diversen Arten von Kommandos, so einfach war das.

Seit einiger Zeit schon beobachten wir aber eine Entwicklung, die dieses Prinzip ins Wanken bringt. Fahrassistenten und technische Helfer übernehmen immer mehr Aufgaben und Funktionen, um den Menschen zu entlasten. Spätestens mit den sensationellen Autos von Tesla wurde die rasante technische Entwicklung sichtbar und es wurde auch klar, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die Autos zumindest bis zu einem gewissen Grad die Steuerung einer neuen Fahrzeuggeneration selbst werden übernehmen können.  

Dem hat der Deutsche Bundestag nun Rechnung getragen und einen ersten entscheidenden Schritt gemacht, um der neuen Technik auch rechtlich zum Durchbruch zu verhelfen.  Mit den Änderungen des Straßenverkehrsgesetzes gemäß der Bundestagsdrucksachen 18/11300 und 18/11776 werden erstmals in der Historie des Automobils “Kraftfahrzeuge mit hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion” explizit zugelassen. So darf der Mensch nun mit dem Segen des Gesetzgebers dem Computer in manchen Situationen die Steuerung überlassen, sich vom Verkehrsgeschehen ab- und anderen Dingen zuwenden. Dies ist ein Paradigmenwechsel, den wir in seiner Tragweite noch gar nicht so recht begreifen können. Das hängt allerdings auch damit zusammen, dass die Berufsnörgler und Bedenkenträger in unserem Land kaum ein gutes Haar an dem Gesetz gelassen haben.

Sicherlich sind noch viele Fragen offen und wir befinden uns ganz am Anfang einer sehr langen Reise. Niemand vermag heute abzuschätzen, wie die Beurteilung der Haftung in Konfliktfällen genau ausfallen wird. Auch datenschutzrechtlich wird zu klären sein, welche Daten genau erhoben werden und wer wann wie darauf Zugriff haben wird. Und da es sich um absolutes Neuland handelt, werden sich die Gerichte sogar sehr oft damit befassen müssen, wie einzelne Regelungen des Gesetzes auszulegen sind. Und der Gesetzgeber wird aus den erst noch zu sammelnden Erfahrungen heraus immer wieder Anpassungen vornehmen müssen, denn niemand darf erwarten, dass man in diesem frühen Stadium ein fertiges Gesetz vorlegen kann, was allen Fragen der Zukunft gerecht wird. 

Trotz der gleichwohl berechtigten Warnung davor, dass noch vieles zu klären sein wird, sollten wir nicht die großen Chancen übersehen, die dieses Gesetz bietet. An erster Stelle wird es der Verkehrssicherheit einen noch ungeahnten Schub geben. Kaum einer wird bezweifeln, dass die Technik dem Menschen haushoch überlegen ist, wenn es darum geht, verlässlich, sicher und präzise zu handeln. Selbstverständlich wird auch die Technik gelegentlich versagen und es wird aus diesem Grund auch Unfälle geben. Doch im Verhältnis zum Risikofaktor Mensch werden diese eher in homöopathischer Dosis auftreten. Das Gesetz wird aber nicht nur eine massive Reduktion an Unfällen zur Folge haben, sondern den Menschen auch ein Plus an Lebensqualität bescheren. Gerade dort, wo wir gerne als Autofahrer regelrecht wahnsinnig werden – im Stau oder im Stop and Go Verkehr – werden wir es genießen, dass wir uns anderen, erfreulicheren Dingen zuwenden können, als stumpfsinnig darauf zu warten, für einen Gewinn von 5 Metern wieder anfahren zu dürfen. Hier, beginnend auf Autobahnen und Einfallstraßen im urbanen Umfeld, wird die unnötige Verschwendung von Lebenszeit zurückgedrängt werden, selbst wenn es noch viele Jahre dauern wird, bis die Autos auch hochkomplexe Aufgaben im innerstädtischen Verkehr eigenständig werden übernehmen können.

Als Carl Benz zu seiner ersten öffentlichen Fahrt mit einem Automobil aufbrach, konnte noch niemand erahnen, was es für einen Unterschied machen würde, dass nicht mehr Pferde, sondern Motoren für den Antrieb sorgten. Genauso wenig können wir heute mit Sicherheit sagen, was es bedeuten wird, dass nun der Mensch im Automobil schrittweise von Maschinen ersetzt wird. Doch trotz aller Unwägbarkeiten, trotz aller rechtlicher Schwierigkeiten und trotz aller Herausforderungen für die Zukunft, sollten wir erkennen, dass hier eine Revolution im Gange ist. Genau wie es 1886 Menschen gab, die die Pferdekutsche erhalten wollten, gibt es heute diejenigen, die den Menschen als Fahrer bewahren wollen. Doch technischer Fortschritt war von dessen Gegnern in der Menschheitsgeschichte allenfalls für einen Wimpernschlag auf der Zeitachse zu bremsen, ganz aufzuhalten war er aber nie. Und so wird sich über kurz oder lang auch das autonome Fahren Raum verschaffen, unabhängig davon, ob das noch 20, 30 oder 40 Jahre in Anspruch nehmen wird. 

Neben den Aspekten der Verkehrssicherheit und der Lebensqualität sollten wir auch die wirtschaftliche Komponente nicht außer Acht lassen. Denn Internet- und Technikgiganten und aufstrebende Player wie Google, Apple, Intel, Tesla und viele mehr heizen der heimischen Automobilwirtschaft mächtig ein. Damit diese nicht weiter in Rückstand gerät und geradezu überrollt wird, braucht sie auch in Deutschland geeignete Rahmenbedingungen und nicht nur in Kalifornien. Dafür hat der Bundestag heute gesorgt und jetzt gilt es, an die Umsetzung zu gehen. Und da werden auch wir als Fahrlehrer gefragt sein, wenn es darum geht, den Menschen den sinnvollen Einsatz und den Umgang mit der Technik zu sorgen und für steigende Akzeptanz zu werben. 

Vertreter von immerhin 35 Nationen kamen zum diesjährigen Kongress der Cieca in Madrid zusammen, einer internationalen Kommission, die sich um die Belange der Fahrprüfung, der Fahrausbildung und der Verkehrssicherheit im allgemeinen kümmert. Im Zentrum der Ansprachen und Vorträge des umfangreichen Programms standen Fragen nach der Integration der Fahrassistenzsysteme in die Führerscheinausbildung und nach der Verwirklichung der ‘Vision Zero’. Damit ist nichts anderes gemeint als der Wunsch, eines Tages überhaupt keine Verkehrstoten auf unseren Straßen mehr beklagen zu müssen. Dies mag im ersten Moment nur eine Utopie sein, der man sich bestenfalls annähern kann. Doch allein, dass man sich weltweit bemüht, dieses Ziel gemeinsam zu verfolgen, ist beachtlich und durchaus mit Erfolgen verbunden. So konnte Szabolcs Schmidt als Vertreter der Europäischen Kommission darauf verweisen, dass die Zahl der Unfalltoten in der EU seit Beginn des Jahrtausends von rund 54000 auf nun noch 25 000 im Jahr 2015 mehr als halbiert werden konnte. Wie viele andere seiner Kollegen verwies auch er auf das große Potenzial vernetzter Fahrzeuge mit steigendem Automatisierungsgrad für die Verkehrssicherheit. Er erläuterte in diesem Zusammenhang die Pläne der EU hinsichtlich einer intensiven grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zur Einführung und Nutzung automatisierter Fahrzeuge und der damit verbundenen Herausforderungen, die in der aktuellen Erklärung von Amsterdam niedergelegt sind, die im April 2016 unterzeichnet wurde.

Die Direktorin der Spanischen Verkehrsbehörde (DGT), María Seguí, machte darauf aufmerksam, dass durch die neuen technischen Systeme in Autos gerade eine ganz neue auszubildende “Jugend” entsteht, nämlich in Form von Menschen, die schon seit mehr als 10 Jahren im Besitz des Führerscheins sind und nun ein “update” brauchen, um überhaupt die aktuellen Fahrzeuge bedienen zu können. Ebenfalls machte sie deutlich, dass sich die Fahrausbildung mit seinen technisch-mechanischen Ansätzen wie dem Umgang mit Schaltung und Kupplung verschieben wird hin zu einer sozial orientierten Ausbildung, in der Kommunikation und das Verständnis der menschlichen Abläufe im Verkehr eine wesentlich größere Rolle spielen werden.

Vor einer zu euphorischen Haltung bezüglich der Einführung vollends autonomer Fahrzeuge, die auf keinen menschlichen Fahrer mehr angewiesen sind, warnte allerdings der Philosoph Charles Johnson aus England. In seinem Vortrag zeigte er auf, dass es derzeit bis auf wenige Ausnahmen weder im Flug-, noch im Schiffs- oder Zugverkehr autonom agierende Einheiten gibt. Dabei sei neben mancher technischer und rechtlicher Schwierigkeiten vor allem der letzte Schritt von hochautomatisierten zu autonomen Systemen entgegen der landläufigen Meinung extrem kostenintensiv. Die gebotene technische Sicherheit und Verlässlichkeit für autonome Systeme sowie die Errichtung dafür nötiger Infrastruktur sei wesentlich teurer als gemeinhin angenommen und somit der Einsatz von menschlichen Piloten, Kapitänen und Fahrern günstiger. Bei allen Verkehrsträgern mit hohem Automatisierungsgrad habe sich zudem gezeigt, dass die Übernahme der Kontrolle durch den Menschen in Notsituationen mit dem Problem behaftet ist, dass der Mensch in solchen Fällen oft nicht mehr in der Lage ist, schnell zu reagieren und eine Situation in angemessener Zeit zu überblicken. Dies ist gerade mit Blick auf die
Komplexität des Straßenverkehrs von Bedeutung, in dem oft sehr kurze Rektionszeiten in solchen Momenten notwendig sind, wenn ein System einen Fehler aufweist oder begeht und der Mensch die Steuerung wieder selbst übernehmen muss. Trotz dieser etwas vorsichtigeren Einschätzung mit Blick auf die künftige Entwicklung unserer Autos zeigten sich die Teilnehmer des Kongresses zuversichtlich, dass es mithilfe der Fahrassistenten gelingen wird, einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit zu leisten, zumal 90% des Unfallgeschehens auf menschliches Versagen zurückzuführen ist.

 

im voll besetzten Saal herrschte großes Interesse an den aktuellen Entwicklungen
im voll besetzten Saal herrschte großes Interesse an den aktuellen Entwicklungen

In den Ausführungen von Peter Morsink aus den Niederlanden wurde weiterhin deutlich, dass zwar die unterschiedlichsten Assistenzsysteme längst in den Autos verbaut werden, es aber immer noch völlig unklar ist, wie die Fahrzeugführer mit diesen vertraut gemacht werden sollen, sei es in der Fahrausbildung oder bei erfahrenen Fahrern. Er selbst berichtete über seine Studie mit einer überschaubaren Anzahl an Teilnehmern über die Verwendung des Toten Winkel Assistenten sowie dem Abstandsregeltempomat, bei der sich verkürzt gesagt gezeigt hat, dass ersterer als sinnvolle Einrichtung zu mehr Sicherheit angesehen wird, während zweiterer eher als entbehrbares Luxuselement angesehen wird. Offensichtlich haben Wissenschaft und Fahrlehrerschaft hier noch einen weiten Weg vor sich, wenn es darum geht, die Einführung der Fahrassistenzsysteme zu begleiten.

Ohne an dieser Stelle auf alle Vorträge eingehen zu können, ist jedoch abschließend sehr positiv festzuhalten, dass es über den ganzen Planeten verteilt zum Teil massive Anstrengungen gibt, grenzüberschreitend auf die Vision Zero hinzuarbeiten. Dabei ist dies nicht allein Aufgabe von Behörden und Gesetzgebern, sondern insbesondere auch von gut ausgebildeten Fahrlehrern, die es in der Hand haben, ganz direkt und in der Praxis sich dieser Vision mit ihren Schülern zu nähern. Die Organisation Cieca sorgt dabei sinnvollerweise für einen Austausch der Nationen untereinander, um voneinander lernen zu können.