Schlagwort

Prüfung

Browsing

Was in einem aktuellen Referentenentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium zur Änderung fahrlehrerrechtlicher Vorschriften harmlos als Entbürokratisierungsmaßnahme bezeichnet wird, könnte für Fahrschulen bundesweit sehr weitreichende Folgen haben. Denn geplant ist, die derzeitige Ausbildungsbescheinigung abzuschaffen und künftig nur noch Ausbildungsnachweise zu verwenden.

Sowohl vor theoretischen als auch vor praktischen Prüfungen sollen die Prüfer dann jeweils den Ausbildungsnachweis erhalten, der im Vergleich zur bisherigen Variante um ein Feld zur Bescheinigung des Abschlusses der Ausbildung ergänzt werden soll. Somit hätte also jeder Prüfer bei jeder Prüfung vollen Einblick darüber, wann und in welchem Zeitraum bei welchem Fahrlehrer welche Art von Stunden mit welcher Dauer absolviert worden sind. Das mag bei der theoretischen Prüfung auf den ersten Blick noch nicht weiter tragisch sein, aber bei der praktischen Prüfung sehe ich Objektivität und Neutralität bei deren Durchführung in Gefahr.

Denn wenn ein Prüfer vor Antritt einer Prüfungsfahrt sehr detaillierte Informationen über den exakten Verlauf der Ausbildung erhält, wird er daraus unter Umständen Rückschlüsse ziehen, die seine Unvoreingenommenheit beeinträchtigen könnten. Hat ein Schüler beispielsweise auffällig wenig Stunden, könnte der Eindruck bei dem Prüfer aufkommen, die Ausbildung sei nicht umfangreich genug gewesen und er sei noch nicht reif für die Prüfung. Wenn ein Schüler hingegen besonders viele Fahrstunden aufweist, könnte dies hingegen das Gefühl entstehen lassen, der Prüfling sei womöglich gänzlich ungeeignet. In solchen und vielen weiteren Fällen droht durch das angedachte Verfahren in meinen Augen eine Beeinflussung des Prüfers – und sei sie nur unterbewusst – mit entsprechenden Auswirkungen auf Ablauf und Ergebnis der Prüfungsfahrt.

So könnte der neue Ausbildungsnachweis aussehen, der die Ausbildungsbescheinigung ersetzen soll.

Jeder aktive Fahrlehrer weiß, wie unterschiedlich der nüchterne Blick auf die nackten Zahlen in einem Ausbildungsnachweis gegenüber der individuellen Betrachtung der Person und deren tatsächlichem Ausbildungsverlauf ausfallen können. Schon bei der Fahrschulüberwachung müssen Inhaber und verantwortliche Leiter auch ordentlich geführter Betriebe, die die Regeln einhalten, immer wieder diskutieren und argumentieren, warum das Ausbildungsbild in manchen Fällen anders als erwartet aussieht. Man stelle sich daher einmal vor, wie es um die Stimmung zu Beginn einer Prüfungsfahrt bestellt wäre, wenn ein Prüfer den Fahrlehrer zu vermeintlichen Auffälligkeiten des Ausbildungsnachweises befragt. Auch am Ende einer Prüfung mit negativem Ausgang könnte dann schnell der Ausbildungsnachweis als Begründung dienen, ohne dass die individuellen Umstände hinreichend gewürdigt werden.

Darüber hinaus muss man sich auch die Frage stellen, was noch alles aus dieser neuen Informationsflut abgeleitet werden könnte. Prüfer und Prüforganisationen könnten beispielsweise vor Ort dann leicht ermitteln, welche Umsätze die einzelnen Fahrschulen erwirtschaften, wie oft Fahrlehrer gewechselt werden, wie genau die Verzahnung von Theorie und Praxis stattfindet, wer zur welchen Tages- und Nachtzeiten aktiv ist und vieles mehr. Natürlich könnten damit auch präzise Vergleiche zwischen einzelnen Fahrschulen in einer Region angestellt werden und im ungünstigsten Fall mag sich dann der ein oder andere Prüfer auch als heimlicher Überwacher berufen fühlen.

Letzteres mögen manche sogar bewusst anstreben und insgesamt darauf setzen, dass durch diese Neuregelung den schwarzen Schafen unserer Branche leichter beizukommen ist. Natürlich wünsche auch ich mir eine Fahrschulwelt ohne Schwarzgeld und mit qualitativ hochwertigen Fahrausbildungen, in denen die fahrlehrerrechtlichen Regelungen eingehalten werden. Gleichwohl gilt es aber genau abzuwägen, ob die geplante Neuerung nicht auch ordentlich arbeitende Fahrschulen negativ treffen könnte. Dabei soll Prüfern keinesfalls unterstellt werden, dass sie problematische Entwicklungen bewusst oder gar mehrheitlich anstreben würden. Ohne Zweifel würden in der Mehrzahl der Fälle die hier genannten Befürchtungen nicht eintreten. Allein, es reicht, dass es ab und an passieren wird, ja passieren muss, was nicht zuletzt daran liegt, dass wir alle auch nur Menschen sind, die zudem auf sehr engem Raum miteinander arbeiten, so dass gelegentliche Konflikte gar nicht ausbleiben können.

Es gab einen guten Grund, dass Ausbildungsbescheinigung und Ausbildungsnachweis einst getrennt worden sind. Diese Trennung nun mit dem lapidaren Verweis auf Entbürokratisierung und einem vermeintlichen Transparenzgewinn aufzugeben, sollte in meinen Augen nochmals dringend überdacht werden.

Soll die Ausbildungsbescheinigung abgeschafft und durch den Ausbildungsnachweis ersetzt werden?

  • Nein (89%, 206 Votes)
  • Ja (8%, 18 Votes)
  • Enthaltung (3%, 7 Votes)

Gesamtzahl der Stimmen: 231

Wird geladen ... Wird geladen ...

Beitragsbild: Sebastian Duda/ Shutterstock.com (ID492402712)

Oft wurde in den letzten Jahren über die Frage diskutiert, welche Fahrassistenzsysteme in der praktischen Prüfung zum Einsatz kommen dürfen und welchen Einfluss deren jeweilige Verwendung auf das Ergebnis der Prüfungsfahrt hat. Rechtlich erscheint die Lage dazu zunächst komfortabel, weil der Gesetzgeber alle Systeme und Ausstattungen der Fahrzeughersteller “grundsätzlich” zulässt (FeV Anlage 7 Punkt 2.2.17) .

Was das aber tatsächlich in der Prüfungsfahrt bedeutet, dem haben sich nun die in der argetp21 zusammengeschlossenen Prüforganisationen von TÜV und Dekra gewidmet und die “Anwenderhinweise zur Bewertung der Nutzung von Fahrerassistenzsystemen und teilautomatisierten Fahrfunktionen in der Praktischen Fahrerlaubnisprüfung” (Stand Januar 2019) entwickelt. Diese mit den Fahrlehrerverbänden abgestimmte Broschüre dient als Leitfaden für alle Prüfer, Fahrlehrer und auch die Fahrerlaubnisbewerber selbst, um Klarheit zu schaffen, wie der Einsatz von diesen Systemen während der Prüfungsfahrt zu bewerten ist.

Ein wichtiger neuer Leitfaden für Prüfungsfahrten, entwickelt von der argetp21 der Prüforganisationen

Vor allem mit Blick auf einen in Zukunft möglicherweise verbindlichen Einsatz von den elektronischen Helfern in der Prüfung sollen objektive Bewertungskriterien dazu dienen, die Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit der jeweiligen Verwendung zu taxieren, aber beispielsweise auch eine übermäßige Ablenkung als Fehler einzuordnen. Anhand der gängigsten Systeme werden in dem Dokument Wirkung, Systemnutzung und zu erfolgende Rückmeldungen an den Fahrerlaubnisbewerber erläutert. Viele Einschätzungen und Hinweise sind dabei aus unserer täglichen Arbeit erwartbar und nachvollziehbar. Wenn beispielsweise Notbremsassistenten oder Spurwechselassistenen mit aktivem Lenkeingriff vom Fahrzeug ohne willentliche Steuerung des Fahrers aktiviert werden, weil eine Notlage eintrittt, dann geht dem in vielen, wenn nicht gar in den allermeisten Fällen ein Fahrfehler voraus, der auch ohne Assistent zu einem Fahrlehrereingriff führen würde und somit ein Nichtbestehen auslöst.

Verlangt wird logischerweise auch, dass bei allen Systemen eine Übersteuerung durch den Prüfling erfolgen muss, wenn die Rahmenbedingungen das erforderlich machen, z.B. weil eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage ein einscherendes Fahrzeug nicht erkennt. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass z.B. Einparkhilfen in allen Spielarten bis hin zum Einparkvorgang außerhalb des Fahrzeugs unter Verwendung einer App auf dem Smartphone eingesetzt werden können, sofern eine hinreichende Verkehrsbeobachtung und Reaktion auf die Umgebungsparameter (beispielsweise Parkverbot) gegeben sind. Anders gesagt ist quasi immer alles unabhängig von der Systemnutzung zulässig, solange Verkehrsbeobachtung, Fahrzeugpositionierung, Geschwindigkeitsanpassung und Kommunikation in Ordnung sind.

Allerdings gibt es schlussendlich auch keine absolute Gewissheit, wie so oft in Prüfungen. Wann eine Ablenkung durch ein System als zu groß gewertet wird oder wann der zweckmäßige Einsatz eines Assistenten angezweifelt wird, wird immer auch eine individuelle Einzelfallerwägung sein. Für uns Fahrlehrer gibt es nun jedoch zumindest eine Handlungsgrundlage, so dass wir guten Gewissens alle Systeme während der Prüfung zum Einsatz bringen lassen können, was aber auch damit einhergeht, unseren Kunden im Vorfeld die Funktionsweisen, Systemgrenzen und Umgang mit diesen beizubringen.

Eine Vielzahl von Sensoren bedeutet für Fahrlehrer auch, deren Möglichkeiten und Grenzen zu kennen und den Fahrschulkunden zu vermitteln. Bild: Audi AG

Die Prüforganisationen haben somit einen wichtigen und für alle Beteiligten hilfreichen Baustein vorgelegt. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese eher die Aspekte betonen, was nicht zulässig ist und an welcher Stelle der Prüfungserfolg trotz oder wegen der Verwendung von Assistenzsystemen verwehrt bleibt. Die organisierte Fahrlehrerschaft hingegen ist nun gefordert, ihren Teil dazu beizutragen, die Vorschriften zur Ausbildung (FahrschAusbO & Co.) zu reformieren und die Fahrausbildung fit für die heutige und zukünftige Technik zu machen. Denn so wichtig und sinnvoll all die modernen elektronischen Helferlein auch sind, so wichtig ist es auch, das Wissen darüber zu vermitteln, wie sie funktionieren und vor allem in welchen Situationen sie nicht in der Lage sind, uns als Fahrer zu unterstützen. Diese Fragen und die sich daraus ergebende Anwendung müssen jetzt fester Bestandteil einer professionellen Fahrausbildung werden.

Beitragsbild: Audi AG

Teile Baden-Württembergs haben nun einige Wochen Erfahrung mit der neuen Buchungssoftware OSF 2.0 des TÜV hinter sich und es ist an der Zeit, ein paar Worte zu der Einführungsphase zu verlieren. Dank des jahrelangen Vorlaufs und des immer wieder hinausgezögerten Starts war ich der Annahme, dass die Fahrschulen nun auf ein gut getestetes und funktionstüchtiges Stück Software stoßen würden. Das mag zugegebenermaßen etwas naiv gewesen sein, doch das tatsächlich eingetretene Chaos hätten wohl selbst hartgesottene Pessimisten so nicht erwartet.

Schon das erste Einloggen in das neue System scheiterte für viele Fahrschulen daran, dass sie keine Zugangsdaten zugeschickt bekommen hatten. Das allein wäre noch nicht allzu tragisch gewesen und hätte schnell gelöst werden können.  Aber aufgrund von Programmierfehlern, welche seitens des TÜV eingeräumt worden sind, kam es auch dazu, dass eine bislang unbekannte Menge an Fahrschülern Kostenvorschüsse zugeschickt bekommen hat, da Fahrschulen versehentlich vom Sammellisten- auf das Vorinkassoverfahren umgestellt worden sind. Dieser Fehler sowie weitere nur zum Teil technisch bedingte Unklarheiten lösten eine ungeheure Welle von Nachfragen und Beschwerden aus, unter deren Last die TÜV-Niederlassungen vor Ort, aber auch die Fahrschulen förmlich zusammengebrochen sind. Hinzu kam, dass augenscheinlich die Mitarbeiter des TÜV, aber auch die Fahrschulen nicht hinreichend auf die neue Software vorbereitet worden sind. Für technikaffine Menschen mag es ausreichen, wenn man ihnen in einer einmaligen Schulungsveranstaltung ein paar Folien an die Leinwand wirft und es ansonsten bei einem Verweis auf das Softwarehandbuch belässt. Man sollte sich aber nicht wundern, wenn etwas weniger softwarebegeisterte Fahrschulinhaber dann beim TÜV aufschlagen und alles nochmal erklärt haben wollen, zumal manche im Vorfeld ja in Ermangelung der Zugangsdaten nicht einmal an das Handbuch gekommen sind. Die TÜV-Spitze wäre gut beraten gewesen, in dieser Frage pädagogische Expertise einzuholen. Dann hätte sie vielleicht den Tipp bekommen, dass man den Nutzern eine Möglichkeit im Vorfeld geben sollte, eine solche neue Software zumindest mit einer Testversion auszuprobieren, einige Übungen vorzunehmen oder sich anhand eines Schulungsvideos damit zu beschäftigen, anstatt von einer Sekunde auf die andere unvermittelt loszulegen. Ansonsten wäre es in etwa so, wie wenn wir von Fahrschülern erwarten würden, nach einer rein theoretischen Einführung das Anfahren und Anhalten eines Schaltwagens zu beherrschen.

All das wäre noch zu verschmerzen gewesen, wenn wenigstens wie in den Nutzungsbedingungen zugesagt Prüfplätze frühzeitig und dem Bedarf entsprechend zur Buchung in das System eingestellt worden wären. Doch ein Blick auf die einschlägigen Fahrlehrerforen im Internet zeigt, dass genau das vielerorts in Baden-Württemberg nicht geschehen ist. Stattdessen muss ständig im System geprüft werden, ob überhaupt buchbare Prüfplätze vorhanden sind. Im Moment zumindest scheinen wir noch sehr weit von einer bedarfsgerechten und rechtzeitigen Planung entfernt zu sein, wobei das nicht verwundert angesichts der Tatsache, dass die TÜV Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort die Fehler ausbaden müssen, die an anderer Stelle gemacht worden sind, so dass derzeit eine reguläre Disposition vermutlich gar nicht möglich ist. 

Wenigstens die Fahrschulen im Osten Baden-Württembergs und solche aus Bayern hatten dahingehend Glück, dass die TÜV Spitze zwischenzeitlich die Notbremse bei der Einführung in weiteren Niederlassungen gezogen und bis zur Behebung der größten Schwierigkeiten auf unbestimmte Zeit verschoben hat. In einem dazugehörigen Entschuldigungsschreiben räumen die Verantwortlichen des TÜV die Probleme zumindest ein und auch, dass es zu Mehraufwand in den Fahrschulen gekommen ist. Nachdem das Kind aber derart in den Brunnen gefallen ist, reicht es bei weitem nicht aus, es bei einer einfachen E-Mail als Entschuldigung zu belassen, zumal der Informationsfluss und die Kommunikationsfreude in der TÜV Zentrale angesichts der dramatischen Entwicklung nur sehr spärlich ausfallen.   

Sowohl die Fehler beim externen IT-Dienstleister, aber auch hausgemachte Probleme in der Vorbereitung haben bei Fahrschulen und Fahrschülern nicht nur für große Verunsicherung gesorgt, sondern auch zu Verzögerungen und Verschiebungen im Prüfungsablauf, zu erheblichem Mehraufwand in zeitlicher und finanzieller Hinsicht und nicht zuletzt für Ärger und Stress.  Hier ist die TÜV-Spitze in der Pflicht, einen klaren Fahrplan zu entwickeln und zu kommunizieren, ob und wann mit einer Stabilisierung der Situation zu rechnen ist und welche Zeiträume Prüflinge kalkulieren sollten, in denen ihre Fahrschulen einen Prüfplatz für sie ergattern können. Zudem ist es in der Geschäftswelt üblich, dass Partner und Kunden in solchen Situationen eine wie auch immer geartete Wiedergutmachung erhalten, wenn solch gravierende Fehler und Missstände auftreten. Hier wird sich zeigen, ob die Führungsriege des TÜV Süd die Fahrschulen als Partner sieht oder die Monopolstellung ausnutzt und einfach zur Tagesordnung übergeht.  

 

Beitragsbild: Diego Cervo/shutterstock.com

 

 

 

 

 

Am 24. September wählen wir ein neues Parlament, das dann die politischen Geschicke für die nächsten vier Jahre bestimmen wird. Wenn die Fahrausbildung explizit im neuen Koalitionsvertrag auftaucht, besteht die Chance auf  eine Reform unserer heutigen Art der Fahrausbildung. Daher wird es Zeit, dass wir uns als Fahrlehrer darüber Gedanken machen, ob und was wie zu ändern ist, damit wir der neuen Regierung etwas in deren Pflichtenheft schreiben können. Dieser Artikel soll keine abschließenden Lösungen präsentieren, sondern mögliche Felder identifizieren und als Diskussionsanregung dienen, um Vorschläge aus unserer Fahrlehrerschaft zu sammeln.

Unsere heutige Arbeit basiert zu einem großen Teil auf der 1976 eingeführten Fahrschülerausbildungsordnung, die eigentlich nur 1986 und 1998 bedeutsame Änderungen erfahren hat. Damit stammt die Grundlage der Ausbildung aus einer Zeit, in der Internet, Mobilfunk und GPS-Navigation noch in den Kinderschuhen steckten und wir bei einem Fahrschulgolf Zentralverriegelung und Airbags noch als hochmoderne Ausstattung empfunden haben. Wir haben nun jedoch 2017 und leben in einer digitalisierten und globalisierten Welt, in der Fahrschüler, Fahrzeuge und auch der Straßenverkehr an sich völlig andere Voraussetzungen und Rahmenbedingungen aufweisen als noch im letzten Jahrhundert.

So sind Fahrschüler längst keine homogene Gruppe mehr. Sie sind mal 17, mal 30, mal 50, sie kommen aus immer mehr Ländern und haben völlig unterschiedliche Motivationen für den Führerscheinerwerb. Zwischen dem urbanen Großstadtverkehr und den ländlichen Gebieten klaffen inzwischen riesige Unterschiede, was das Mobilitätsverhalten aber auch das Handling des Verkehrs an sich angeht. Und Autos kommen mal elektrisch, mal automatisch, mal als voll einsatzfähiges Büro oder zunehmend automatisiert daher. Die starren Vorgaben einer alten Fahrschülerausbildungsordnung müssen daher zwangsläufig an der Vielfalt der modernen Mobilitätswelt scheitern.

Der Theorieunterricht

Noch immer zwingen wir Fahrschüler aufgrund der gesetzlichen Vorgaben dazu, sich 14 mal (z.B. bei Ersterwerb Klasse B) vornehmlich abends und meistens für je 90 Minuten in die Fahrschule zu begeben. Niemand scheint es dabei zu stören, dass oftmals Fahrschüler nach einem langen Schul-, Studien- oder Arbeitstag oder aufgrund von Sprachbarrieren kaum aufnahmefähig sind oder dem Unterricht erst gar nicht folgen können. Aber während man inzwischen ganze Studiengänge im Internet absolvieren kann und die Menschen zu den für sie besten Zeiten lernen können, herrscht in Fahrschulen noch stur die reine Präsenzpflicht. Wäre es hier nicht an der Zeit, dass man gerade Bereiche der reinen Wissensvermittlung (z.B. Vorfahrtsregeln, Verkehrszeichen etc.) als e-learning Angebote zulässt und sich Fahrlehrer in den Präsenzphasen auf diejenigen Dinge konzentrieren können, in denen ihre Fähigkeiten als Pädagogen gefordert sind? Ebenso wurde in den letzten Jahren versäumt, über die Anzahl der Unterrichte nachzudenken. Denn gerade durch die gewandelten Rahmenbedingungen ist auch der Stoffumfang gewachsen. Immer mehr Inhalte müssen so künstlich in die 14 Einheiten gepresst werden, was für Fahrschüler und Fahrlehrer gleichermaßen eine Überforderung darstellt. Auch die nach wie vor geltende Beschränkung auf zwei Doppelstunden pro Tag ist völlig aus der Zeit gefallen. Fahrschüler der Generation Z sind heutzutage viel mehr auf Effizienz und optimierte “Terminverwaltung” getrimmt als früher, was mit dem dringenden Wunsch nach kompakter und intensiver Fahrausbildung einhergeht. Daher ist es überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, dass Schüler zwar täglich bis zu 8 Schulstunden absolvieren dürfen, in der Fahrschule dies aber nicht möglich ist. Es muss doch machbar sein, dass wir den gesamten Theorieunterricht an 2-3 intensiven Tagen mit ausgeruhten und aufnahmefähigen Schülern, z.B. in den Ferien oder an Samstagen, absolvieren können, anstatt sie dazu zu zwingen, sich abends völlig abgekämpft in einen Unterricht zu setzen, der dann unnötig verpufft.

Die praktische Ausbildung

Auch im Bereich der Praxis sitzen wir oft noch gedanklich in Fahrzeugen des letzten Jahrhunderts und bilden genauso aus. Das geht oft mit dem Argument einher, dass die Fahrschüler im Anschluss ja oftmals auch alte Autos fahren und diese alte  Welt auch beherrschen müssen. So sehr das stimmt, so sehr scheint es aber auch eine Ausrede zu sein, sich selbst nicht auf die neue Welt der Fahrausbildung einzulassen. So sind die Beherrschung der Menüführung eines Autos, die Programmierung eines Navis, der sinnvolle Einsatz eines Abstandsregeltempomaten oder die Verwendung von Einparkassistenten keinesfalls Banalitäten, bei denen der Fahrschüler ja nur ein paar Knöpfchen zu drücken braucht und für die es angeblich keines Fahrlehrers bedarf. Wer das behauptet, wird diese Dinge vermutlich noch nie wirklich ausgebildet haben. Hier ist auch der Gesetzgeber gefordert. Die Beherrschung von Fahrassistenten, aber auch von Automatikfahrzeugen und letztlich auch Elektrofahrzeugen gehört zwingend in den Kanon moderner Fahrausbildung. Gleichzeitig müssen wir die “besonderen Ausbildungsfahrten” unter die Lupe nehmen. Seit nunmehr fast 20 Jahren scheinen wir 5 Überland-, 4-Autobahn und 3-Nachtfahrten gegen Ende der Ausbildung für eine Art Naturgesetz zu halten, das erst gar nicht mehr hinterfragt wird. Dabei sind solche Vorgaben immer mehr oder weniger willkürlich und unterliegen einem Wandel. Wer in einem Großstadtdschungel ausbildet oder ausgebildet wird, dem erscheinen die “Sonderfahrten” oft als gemütliche Kaffeefahrt zur Erholung. Im ländlichen Raum hingegen scheint manchmal jede Übungsstunde auch eine Überlandfahrt zu sein. Und manchen Menschen aus anderen Ländern, die vielleicht schon sehr gute, erfahrene Autofahrer sind, zu erklären, dass man mit ihnen diese 12 Stunden absolvieren muss, weil sie nicht  mehr als Umschreiber gelten, ist nahezu unmöglich. Es gibt viele Fälle, in denen das starre Schema der besonderen Ausbildungsfahrten nicht mehr passt. Hier sollte man den Fahrlehrern wieder ein wenig mehr Eigenverantwortung zugestehen und die Flexibilität ermöglichen, bei den besonderen Ausbildungsfahrten die Rahmenbedingungen mit einfließen zu lassen.

Die Simulatoren

Seit einigen Jahren haben die Simulatoren in die Fahrausbildung Einzug gehalten und werden trotz ihrer schnell wachsenden Verbreitung und immer neuer Fähigkeiten und Möglichkeiten bislang von der Gesetzgebung ignoriert. Bislang dienen sie zwar meistens noch “nur” der Entlastung von Fahrlehrern, in denen die ersten Fahrstunden ersetzt werden und die Fahrschüler dann schon bestens für die ersten Stunden im realen Verkehr gerüstet sind. Aber natürlich können Simulatoren weit mehr. Neben Teilen der Sonderfahrten, können sie auch spezielle Gefahrsituationen trainieren oder Verkehrssituationen abbilden, die im Umfeld der jeweiligen Fahrschule schlicht nicht zu finden sind. Ein Unfall auf der Autobahn in nächster Nähe, eine überraschende Vorfahrtsverletzung oder herannahende Rettungsdienste sind nur ein paar wenige Beispiele von Situationen, die ich nicht in jeder Ausbildung trainieren und begleiten kann. Simulatoren können dies hingegen ohne weiteres. Hier ist es an der Zeit, dass Simulatoren ganz offiziell und anrechenbar in die Ausbildung integriert werden können wie es bereits in Grundzügen schon in der Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung geschehen ist. Wenn man es beispielsweise zuließe, dass eine Nachtfahrt oder eine Autobahnfahrt auf einem Simulator durchgeführt werden darf, bekämen diese einen ganz anderen Stellenwert. Gleichzeitig könnte der Gesetzgeber in einem weiteren Schritt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit sogar darauf bestehen, dass Fahrschüler manch gefährliche Situation auf einem Simulator trainiert haben muss, bevor er zur praktischen Prüfung zugelassen wird.

Die Prüfungen

Um manchem zuvor genannten den nötigen Nachdruck zu verleihen, wird es darauf ankommen, auch die Prüfungen den neuen Gegebenheiten anzupassen. So wird man Prüfungsfahrzeuge neu definieren müssen, indem man manche technische Systeme und entsprechende Assistenzsysteme zu einer verpflichtenden Ausstattung macht. Ebenso sind Grundfahraufgaben, Fragen zum Betrieb des Fahrzeugs und der korrekte Umgang mit Assistenzsystemen zu reformieren bzw. neu zu integrieren. 

Und wer nun vielleicht meint, dass das alles noch zu früh ist, der denke an die langsamen Mühlen politischer Arbeit. Denn selbst wenn wir manches heute einfordern und es noch 2017 Einzug in den Koalitionsvertrag halten sollte, so wird es dennoch vielleicht erst am Ende der nächsten Legislatur umgesetzt, also 2021. Und wenn es dann noch gewisse Übergangsfristen gibt, müssen wir hier und jetzt mit all dem anfangen, wenn wir noch vor Mitte des nächste Jahrzehnts mit einer modernisierten Fahrausbildung loslegen wollen.

Ist die deutsche Fahrausbildung noch zeitgemäß?

  • Nein, sie muss modernisiert werden (88%, 392 Votes)
  • Ja, sie soll so bleiben wie sie ist (10%, 45 Votes)
  • weiß nicht (2%, 9 Votes)

Gesamtzahl der Stimmen: 446

Wird geladen ... Wird geladen ...

 

 

 

 

 

 

  

Auf dem diesjährigen Fahrlehrerkongress in Berlin dürfte manch ein Teilnehmer geradezu überwältigt gewesen sein angesichts der Fülle von neuen Informationen und Produkten, die den rasanten Wandel in der Fahrlehrerbranche eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben. So wird die gute alte Ausbildungsdiagrammkarte Stück für Stück durch digitale Lernstandsapps ersetzt, Prüfer dürfen sich auf das elektronische Prüfprotokoll einstellen und für die ersten Fahrstunden wurde sogar ein Simulator mit VR-Brille vorgeführt. Auch in den Vorträgen und workshops zu den rechtlichen und technischen Entwicklungen wurde deutlich, dass die Führerscheinausbildung derzeit von der ersten bis zur letzten Minute durchdigitalisiert wird. Besonders aufhorchen ließ in diesem Zusammenhang eine Forderung von Peter Glowalla, dem Vorsitzenden des Fahrlehrerverbands Berlin, der in seinem Vortrag eine kleine Revolution skizzierte.

Demnach sollen künftig Fahrschulfahrzeuge mit mindestens fünf Fahrassistenzsystemen ausgestattet sein. In der Prüfungsfahrt lässt sich der Prüfer dann drei der von ihm ausgewählten elektronischen Helfer von dem Bewerber vorführen. Vorstellbar wäre also, dass der Bewerber z.B.  eine Parkübung manuell und eine unter Zuhilfenahme des Parkassistenten durchführt. Er könnte auch auf einem Autobahnabschnitt aufgefordert werden, den Abstandsregeltempomat einzusetzen oder die Funktionsfähigkeit des Spurhalteassistenten zu überprüfen. 

Parkassistent im VW Touran. Quelle: Volkswagen AG
Parkassistent im VW Touran. Quelle: Volkswagen AG

Auch wenn Anzahl und Art der Assistenzsysteme sowie die genaue Verwendung in der Prüfung noch nicht abschließend festgelegt sind, so ist doch klar, dass es sich dabei nicht nur um den Vorschlag einer Person handelt, sondern dieser Ansatz auf verschiedenen Ebenen wie z.B. auch der TÜV/Dekra arge tp 21 diskutiert und vorangetrieben wird.

Eine solch erfrischend moderne Idee hat das Potenzial, der Mobilitätswende in unserem Land ein wenig mehr Rückenwind zu verschaffen. Denn wenn Fahrschülerinnen und Fahrschüler von Anfang an an die Nutzung von Fahrassistenten herangeführt und mit deren Chancen und Risiken im Rahmen der Ausbildung vertraut gemacht werden, können sie später viel selbstbewusster und aktiver mit solchen Systemen umgehen, als das heute bei vielen Autofahrern noch der Fall ist.

Da die dafür nötigen Fahrassistenzpakete für Neufahrzeuge inzwischen recht erschwinglich geworden sind, sollte es für Fahrschulen kein Problem darstellen, im Rahmen der regelmäßigen Fahrzeugerneuerung den Fuhrpark entsprechend anzupassen, sofern das nicht sowieso schon geschehen ist. 

Der entscheidende Schritt in diesem Zusammenhang ist aber die verbindliche Nutzung der Systeme im Rahmen der Prüfungsfahrt. Nur wenn Fahrschüler und Fahrlehrer darum wissen, dass der gekonnte Einsatz von den Assistenten auch über den Prüfungserfolg mitentscheidet, werden sie gemeinsam mit der nötigen Intensität an der Erlangung der zusätzlich zu erwerbenden Kompetenzen arbeiten. 

Seit ihrer Erfindung haben Autos eine enorme Entwicklung durchlaufen, auf die Fahrlehrer jeweils reagieren mussten.
Seit ihrer Erfindung haben Autos eine enorme Entwicklung durchlaufen, auf die Fahrlehrer jeweils reagieren mussten. Bild: Sascha Fiek

Diese markante Umstellung in der Fahrausbildung vermag durchaus das Image der Fahrlehrerschaft zu steigern. Denn der Fahrlehrer entwickelt sich so auch ein kleines Stück in Richtung Softwarebetreuer, wenn er seinen Kunden Einstellungen und Funktionsweisen der digitalen Möglichkeiten eines Fahrzeugs näher bringt. Gleichzeitig vermag der vernünftige Einsatz von sicherheitsrelevanten Assistenten auch ein erhebliches Absenken der Unfallzahlen zu bewirken. Insofern ist eine Unterrichtung in die Welt der Fahrassistenten nicht nur Lust, sondern auch Pflicht für Fahrlehrer. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Umsetzung dieser Idee noch deutlich vor Ablauf des Jahrzehnts eingeleitet wird.

Soll die Verwendung von Fahrassistenzsystemen Bestandteil der Prüfung werden?

  • ja (58%, 104 Votes)
  • nein (37%, 67 Votes)
  • weiß nicht (4%, 8 Votes)

Gesamtzahl der Stimmen: 179

Wird geladen ... Wird geladen ...