Eine der großen Unbekannten im Zuge der Fahrlehrerrechtsreform war und ist die Ausgestaltung der neuen Fahrschulüberwachung. Da diese in die Zuständigkeit der Länder fällt, war bei der Verabschiedung der Reform noch völlig unklar, was genau da auf die Fahrschulen zukommen würde. Die Bedenken waren groß, dass womöglich noch intensiver und mehr überwacht werden würde als bisher und die Kosten erheblich steigen könnten.
Zumindest in Baden-Württemberg sind diese Ängste mit dem aktuellen Erlass aus dem Verkehrsministerium vom 16.4.2018 vom Tisch. Denn hier hat man nun einen erfreulich behutsamen Weg eingeschlagen, der die Fahrschulen im Vergleich zum bisherigen Verfahren sogar eher entlastet und keine unüberwindbaren Hürden mit sich bringt. Positiv formuliert scheint das Verkehrsministerium in Stuttgart den Fahrschulen so viel Vertrauen entgegen zu bringen, dass eine allzu engmaschige oder scharfe Überwachung als unnötig angesehen wird.
Ausgegangen wird künftig von einer Überwachungsdauer von üblicherweise vier Stunden vor Ort, von denen zwei Drittel auf die pädagogische und nur noch ein Drittel auf die Formalüberwachung entfallen sollen. In rund einer Stunde sollen nach den Vorstellungen des Ministeriums die Formalia erledigt sein. Dazu zählen die Kontrolle der Fahrlehrerscheine und Führerscheine der Mitarbeiter, eine kleine Stichprobe bei den Ausbildungsnachweisen, eine Einsicht in die Fahrschulerlaubnisse und die ordnungsgemäße Führung von Aufzeichnungen über den Ausbildungsstand sowie die Kontrolle der Arbeitszeiten, die sowohl analog als auch digital vorgelegt werden können. Eine Überwachung und Besichtigung von Zweigstellen soll dagegen nur auf besonderen Anlass hin erfolgen. Lediglich bei sehr großen Fahrschuleinheiten mit mehr als zehn Betriebsstellen sollen auch die die Organisation des Geschäftsbetriebs und die Unternehmensführung betrachtet werden, um sicherzustellen, dass die Vorgaben der Fahrschülerausbildungsordnung bei dieser Größe eingehalten werden können. Dies ist sicherlich ohne weiteres zumutbar, zumal ordentlich geführte Großbetriebe sowieso über ein Qualitätsmanagement verfügen, das weit über die Anforderungen der Fahrschulüberwachung hinausgeht.
Bei der pädagogischen Überwachung, also dem Hauptteil, wird im ersten Überwachungsturnus nach der Reform nur ein Theorieunterricht überprüft, der mindestens 45 Minuten beobachtet werden soll. Dieser soll vom verantwortlichen Leiter und nur in Ausnahmefällen von anderen Fahrlehrern gehalten werden. Zum Schluss der Überwachung erfolgt dazu noch ein Auswertungsgespräch. Hier ist das Überwachungspersonal “dazu angehalten, bei der ersten Überwachung die Beurteilung der pädagogischen Qualität mit besonderem Augenmaß vorzunehmen. Bei Bedarf sind die zu Überwachenden in Fragen der pädagogischen Qualität vorrangig zu beraten und zu fördern.” Ganz bewusst wird darauf verzichtet, sofort “qualitätssichernde Maßnahmen” ergreifen zu wollen, sofern diese nicht “zwingend erforderlich” sind. Das deutet klar darauf hin, dass niemand etwas zu befürchten hat, der einen einigermaßen ordentlichen Theorieunterricht zustande bringt, wovon doch eigentlich bei erfahrenen Fahrschulinhabern und verantwortlichen Leitern ausgegangen werden sollte. Die Überprüfung einer praktischen Ausbildungsstunde soll dann erst bei der darauffolgenden Überwachung erfolgen, also zwei oder vier Jahre später.
Im Süden der Republik können Fahrschulen demnach der nächsten Überwachung gelassen entgegen sehen, denn alles scheint darauf ausgelegt zu sein, dass man nur bei den schwarzen Schafen genauer hinzuschauen gedenkt, aber dafür die ordentlich geführten Betriebe nicht unnötig strapaziert. Erfreulich ist auch, dass man in Stuttgart zunächst an Fördern und Beraten bei kleineren Abweichungen denkt und nicht gleich von Maßnahmen oder Bußgeldern die Rede ist. Spannend ist, ob auch in anderen Bundesländern ein solch moderater Kurs angestrebt wird und Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle einnimmt. Ich würde mich über Kommentare und Berichte an dieser Stelle aus anderen Ländern freuen, bei denen es vielleicht auch schon aktuelle Erlasse oder Erfahrungen gibt.
Die gute Nachricht vorweg lautet, dass es nun endlich gelungen ist, die Reform des Fahrlehrerrechts erfolgreich abzuschließen. Denn nach der Einigung auf zahlreiche Änderungsanträge im Verkehrsausschuss dürfte die Abstimmung über das Gesetz im Bundestag am 30. März nur noch eine Formsache sein. Doch diese Änderungen haben es in sich und das ganze Reformprojekt nochmal kräftig durchgeschüttelt. Ab sofort können sich Fahrschulen, Fahrlehrer und Ausbildungsstätten auf die neuen Regelungen ab dem 1. Januar 2018 vorbereiten. Denn die zuvor noch geplanten Übergangsvorschriften wurden glücklicherweise gestrichen, so dass es keine unbegründbaren Verzögerungen mehr gibt und alles tatsächlich zum Jahreswechsel startet.
Die Rückkehr der 495 Minuten
Lange Zeit sah es so aus, als ob es der Gesetzgeber bei einer allgemeinen Formulierung zu der Arbeitszeit von selbständigen Fahrlehrern belassen würde. Doch die Abgeordneten haben sich auch auf Druck mehrerer Verbände hin dann doch dazu durchgerungen, die 495-Minuten Regelung wieder im neuen Gesetz zu übernehmen. Zu groß war die Angst, ein Einfallstor für diejenigen zu schaffen, die verantwortungslos und zeitlich hemmungslos praktische Fahrstunden geben wollen. Realistisch betrachtet wird auch heute diese Grenze oftmals überschritten. Aber durch die Erwähnung im Gesetz wollte man zumindest die Hürden möglichst hoch belassen und kein Ungleichgewicht gegenüber angestellten Fahrlehrern schaffen, die dem Arbeitszeitgesetz unterliegen. Die Wiederaufnahme der 495 Minuten Grenze wird aber auch große Konsequenzen für die Überwachung haben. Diese sollte eigentlich in Richtung der Überprüfung von fachlicher und pädagogischer Qualität entwickelt werden. Da die Entbürokratisierung des Fahrlehrerwesens nun jedoch eher in homöopathischer Dosis erfolgt und weiterhin genaue Aufzeichnungen geführt werden müssen, ist davon auszugehen, dass der Schwerpunkt auch in Zukunft bei der Formalüberwachung liegen wird, zumal nach dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren noch niemand so genau weiß, wie die pädagogische Überwachung aussehen wird und von wem sie wie zu welchen Kosten ausgeführt werden soll. Die dazugehörigen Verfahren liegen wieder in der Verantwortung der Bundesländer, so dass es wohl noch eine ganze Weile dauern wird, bis in dieser Frage Klarheit herrscht.
Die Angst vor der Konzernfahrschule
Im ursprünglichen Entwurf des Verkehrsministeriums war zunächst geplant, keine konkreten Angaben zur Anzahl möglicher Zweigstellen zu machen, um dem derzeitigen Strukturwandel der Branche gerecht zu werden. Doch die ständig vorgebrachten Warnungen vor Marktwirtschaft und vor dem vermeintlichen Aufkommen gigantischer Konzernfahrschulen wurden schließlich auch erhört. Angesichts der geringen Renditen und des erdrückenden Fahrlehrermangels ist es zwar völlig unrealistisch, dass ADAC, Aldi oder andere ein großes Fahrschulfilialsystem hochziehen würden, da man dort normalerweise des Rechnens fähig ist und man kaum ohne Aussicht auf Personal und Gewinn ein solches Projekt anstoßen würde. Doch schon die bloße Möglichkeit war manchen zu viel, weshalb der Ruf nach protektionistischen Maßnahmen laut wurde. So heißt es nun im Gesetz, dass eine Zahl von 10 Zweigstellen nicht überschritten werden soll. Allerdings wird in der Gesetzesbegründung explizit vermerkt, dass von dieser Sollvorschrift abgewichen werden darf. Ich selbst habe mich im gesamten Reformprozess immer wieder dafür stark gemacht, dass man größere Fahrschuleinheiten genau dann zulässt, wenn sie unter Beweis stellen, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden können. Umso erfreulicher ist, wenn der Gesetzgeber nun genau diesen Gedanken aufgenommen hat, wenn er sagt, dass mehr als 10 Zweigstellen dann möglich sind, wenn eine Fahrschule geeignete Nachweise erbringt, beispielsweise in Form zertifizierter und erfolgreich angewandter Qualitätsmanagementsysteme. So gibt es zwar nun weiterhin eine recht eng gefasste Zweigstellenbegrenzung, aber immerhin besteht eine Öffnungsklausel genau für diejenigen Fahrschulen, die nachweislich zeigen, dass sie auf eine hohe Ausbildungsqualität Wert legen.
Kooperation light
Ein wesentlicher Meilenstein des Gesetzes sollte die Schaffung von Kooperationsmöglichkeiten zwischen Fahrschulen sein. Damit wollte man eigentlich erreichen, dass kleinere Fahrschulen, gerade wenn sie zum Beispiel nur über die Fahrlehrerlaubnis der Klasse BE verfügen, mit anderen Fahrschulen dahingehend zusammenarbeiten können, dass sie einen Teil der Ausbildung (z.B. Klasse A) vergeben können, ohne den Kunden wegschicken zu müssen. Durch mehr Auslastung und bessere Kundenbindung hätten die kleinen Fahrschulen genau davon profitiert und für andere wäre es vielleicht lohnend geworden, sich auf eine Klasse zu spezialisieren und so bestimmte Nischen zu besetzen. Dem wurde aber dadurch ein Riegel vorgeschoben, dass “Auftrag gebende und Auftrag nehmende Fahrschule” jeweils über die Fahrschulerlaubnis des zu übertragenden Ausbildungsteils verfügen müssen. Somit kann eine reine BE Fahrschule also gerade nicht einen Schüler annehmen, der die Klassen A und B machen will und den Anteil A an eine kooperierende Fahrschule weitergeben. Damit ist das ursprüngliche Ziel der Kooperation verfehlt. Vielmehr wird es nun zu einem reinen Instrument für größere Fahrschulen mit einer Erlaubnis für mehrere Klassen, die bei Überlastung einen Teil der Ausbildungen an kleinere Fahrschulen abgeben können. Statt auf Augenhöhe miteinander kooperieren zu können, werden vielmehr größere Platzhirsche die Konditionen diktieren können. Damit wird aus der Kooperation in Wirklichkeit eine Art neues Subunternehmertum, wie man es z.B. aus der Logistikbranche kennt.
Teilzeitausbildung
Zur großen Überraschung vieler wurde nun auch die Möglichkeit geschaffen, die Fahrlehrerausbildung in Teilzeit durchzuführen. Denkbar ist zudem eine modular strukturierte Ausbildung mit fortlaufendem Einstieg. Damit wollte der Gesetzgeber eine weitere Hürde für die Fahrlehrerausbildung abbauen. Es lässt sich allerdings nur schwer abschätzen, ob es wirklich hinreichend großen Bedarf für Fahrlehrerausbildungen gibt, die sich inklusive Praktikum über mehrere Jahre hinweg erstrecken. Für die Ausbildungsstätten ist diese Änderung aber zweifelsohne eine große Herausforderung, denn sie werden in einen Wettbewerb um neue Ausbildungskonzepte geraten und ihre Angebote neu strukturieren müssen. Wenn auf diese Weise vielleicht mehr Menschen Zugang zum Fahrlehrerberuf erhalten, wäre das angesichts des völlig ausgetrockneten Fahrlehrermarkts sicher zu begrüßen.
Freie Mitarbeiter
Unerwartet wurde dann noch das ursprünglich geplante Verbot einer freien Mitarbeiterschaft von Fahrlehrern gestrichen. Dies ist insofern schwer nachzuvollziehen, als sich bei der offiziellen Verbandsanhörung im Bundestag alle geladenen Verbände für dieses Verbot ausgesprochen haben und auch in zahlreichen Gesprächen mit Abgeordneten sich niemand so recht für die freie Mitarbeiterschaft erwärmen wollte. Aber hinter den Kulissen scheint sich die Interessenlage dann doch in den letzten Abstimmungen verändert zu haben.
Das Ergebnis
Die ganz große – von manchen erhoffte und von anderen befürchtete – Revolution ist es nun schlussendlich nicht geworden. Die zuständige Referatsleiterin im Bundesverkehrsministerium, Renate Bartelt-Lehrfeld, hat allerdings eine beeindruckende und hoch ambitionierte Reformagenda auf den Weg gebracht, die ihrem Haus wahrlich zu Ehren gereichte. Doch auch sie wird sich bewusst gewesen sein, dass in solch ehrgeizigen Reformprojekten im Laufe der Zeit der ein oder andere Kompromiss eingegangen werden muss, vor allem wenn Vertreter von Verbänden, Bundesländern oder der Politik zum Teil ganz unterschiedliche Vorstellungen haben. Gleichwohl wird der längst stattfindende Strukturwandel der Fahrschullandschaft behutsam unterstützt und das angestaubte Fahrlehrerrecht modernisiert. Vor allem trägt die Reform aber dem erdrückenden Fachkräftemangel Rechnung. Sie bietet die große Chance, mehr Menschen für den Fahrlehrerberuf zu gewinnen. Denn Zugangshürden wurden abgesenkt und gleichzeitig die Ausbildungsqualität erhöht. Jetzt ist es an den Fahrschulen, sich anzustrengen und neue Fachkräfte auf dem heiß umkämpften Arbeitsmarkt anzuwerben bzw. für eine Ausbildung zu gewinnen. Die Politik hat nur den Rahmen geschaffen, aber die Umsetzung obliegt den Fahrschulen selbst. Hoffen wir, dass die Fahrschulwelt die Chancen ergreift, die das neue Gesetz ab 2018 bieten wird. (Weitergehende Informationen zur Stellungnahme der Verbände und das Wortprotokoll der Anhörung finden sich hier auf den Seiten des Bundestags.)
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