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Vor mehr als drei Jahren hat der flächendeckende Einsatz von Simulatoren in der Fahrausbildung begonnen. Während die zuvor existierenden Geräte lediglich Exoten waren, ist es den großen Lehrmittelverlagen dann gelungen, attraktive Produkte auf den Markt zu bringen, die leistungsfähig und finanzierbar zugleich waren. Seitdem wächst die Zahl der Fahrschulen, die auf diese moderne Form der Ausbildung setzen, kontinuierlich an und auch die anfängliche Skepsis, die zu Beginn dieser Ära in vielen Foren zu hören und zu lesen war, scheint immer mehr zu schwinden. 

Nach den ersten Jahren, in denen grundlegende Erfahrungen hinsichtlich der Anwendbarkeit, Kundenakzeptanz und Verlässlichkeit gesammelt werden konnten, ist nun die Zeit reif, die Simulatoren zu einem integralen Bestandteil der Fahrausbildung weiterzuentwickeln. Denn derzeit sind sie trotz einer bundesweit immerhin sechsstelligen Zahl an Fahrstunden pro Jahr lediglich eine begleitende Maßnahme beim Führerscheinerwerb. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist, dass Fahrschulen, auch auf Betreiben der Wettbewerbszentrale hin, von mehreren Gerichten untersagt worden ist, damit zu werben, dass Simulatoren die Kosten für die Ausbildung und die Fahrstundenzahl reduzieren. Jede Fahrschule, die einen solchen digitalen Fahrstand verwendet, ist sicher überzeugt davon, dass eine solche Ersparnis realisierbar ist. Aber wie so oft im Leben zählen hier nicht subjektive Eindrücke oder gesunder Menschenverstand, sondern nur empirische Studien auf hohem wissenschaftlichem Niveau mit harten Fakten, die die These der Kosteneinsparung untermauern.

Um das Potenzial der Simulatoren noch besser auszuschöpfen, sind daher mehrere Schritte erforderlich. Wir brauchen nun zunächst die geforderte Studie, die Wirksamkeit und Nutzen der Geräte nachweist. Hier sind vor allem auch die Lehrmittelverlage gefordert, welche über eine umfangreiche Zahl an Datensätzen von Ausbildungen mit und ohne Simulatoreinsatz verfügen, und dadurch einer Studie mit einer hinreichend großen Stichprobe den Weg ebnen könnten. Die möglichen wissenschaftlichen Fragestellungen sind darüber hinaus vielfältig und reichen von einfachen Themen wie Kostenersparnis und Einfluss auf Stundenzahl über Kundenakzeptanz bis hin zu komplexen Fragen nach der pädagogischen Ausrichtung oder einem nachhaltigen Nutzen für die Verkehrssicherheit. Für all das werden über die Auswertung des bestehenden Datenbestands hinaus zahlreiche Erhebungen mit sorgfältig vorbereiteten Untersuchungsdesigns notwendig, um tragfähige Resultate zu bekommen.

Auf dieser wissenschaftlichen Basis wiederum kann dann der Gesetzgeber die nötigen rechtlichen Voraussetzungen schaffen, um den Simulatoreinsatz in den Fahrschulbetrieb zu integrieren. Dadurch würde die Option geschaffen werden, einzelne Ausbildungsbausteine auf Simulatoren durchführen zu dürfen – wohlgemerkt zu dürfen und nicht zu müssen, um keine Fahrschulen ohne Simulator zu diskriminieren. 

Diese beiden Maßnahmen wären gleichzeitig Motivation für die Lehrmittelverlage, massiv in die Weiterentwicklung vor allem der Software zu investieren, um mehr Bereiche der Ausbildung abzudecken und die Attraktivität weiter zu steigern. Durch neue Module, die sich speziell dem Training von diversen Gefahrsituationen widmen, welche sich im realen Ausbildungsbetrieb nicht nachstellen lassen, könnte zudem auch ein fundamentaler Beitrag zur Steigerung der Verkehrssicherheit geleistet werden. Wenn Wissenschaft, Politik und Verlage an dieser Stelle Hand in Hand arbeiten, werden wir einen großen Schritt in der modernen Fahrausbildung machen können.

Am 24. September wählen wir ein neues Parlament, das dann die politischen Geschicke für die nächsten vier Jahre bestimmen wird. Wenn die Fahrausbildung explizit im neuen Koalitionsvertrag auftaucht, besteht die Chance auf  eine Reform unserer heutigen Art der Fahrausbildung. Daher wird es Zeit, dass wir uns als Fahrlehrer darüber Gedanken machen, ob und was wie zu ändern ist, damit wir der neuen Regierung etwas in deren Pflichtenheft schreiben können. Dieser Artikel soll keine abschließenden Lösungen präsentieren, sondern mögliche Felder identifizieren und als Diskussionsanregung dienen, um Vorschläge aus unserer Fahrlehrerschaft zu sammeln.

Unsere heutige Arbeit basiert zu einem großen Teil auf der 1976 eingeführten Fahrschülerausbildungsordnung, die eigentlich nur 1986 und 1998 bedeutsame Änderungen erfahren hat. Damit stammt die Grundlage der Ausbildung aus einer Zeit, in der Internet, Mobilfunk und GPS-Navigation noch in den Kinderschuhen steckten und wir bei einem Fahrschulgolf Zentralverriegelung und Airbags noch als hochmoderne Ausstattung empfunden haben. Wir haben nun jedoch 2017 und leben in einer digitalisierten und globalisierten Welt, in der Fahrschüler, Fahrzeuge und auch der Straßenverkehr an sich völlig andere Voraussetzungen und Rahmenbedingungen aufweisen als noch im letzten Jahrhundert.

So sind Fahrschüler längst keine homogene Gruppe mehr. Sie sind mal 17, mal 30, mal 50, sie kommen aus immer mehr Ländern und haben völlig unterschiedliche Motivationen für den Führerscheinerwerb. Zwischen dem urbanen Großstadtverkehr und den ländlichen Gebieten klaffen inzwischen riesige Unterschiede, was das Mobilitätsverhalten aber auch das Handling des Verkehrs an sich angeht. Und Autos kommen mal elektrisch, mal automatisch, mal als voll einsatzfähiges Büro oder zunehmend automatisiert daher. Die starren Vorgaben einer alten Fahrschülerausbildungsordnung müssen daher zwangsläufig an der Vielfalt der modernen Mobilitätswelt scheitern.

Der Theorieunterricht

Noch immer zwingen wir Fahrschüler aufgrund der gesetzlichen Vorgaben dazu, sich 14 mal (z.B. bei Ersterwerb Klasse B) vornehmlich abends und meistens für je 90 Minuten in die Fahrschule zu begeben. Niemand scheint es dabei zu stören, dass oftmals Fahrschüler nach einem langen Schul-, Studien- oder Arbeitstag oder aufgrund von Sprachbarrieren kaum aufnahmefähig sind oder dem Unterricht erst gar nicht folgen können. Aber während man inzwischen ganze Studiengänge im Internet absolvieren kann und die Menschen zu den für sie besten Zeiten lernen können, herrscht in Fahrschulen noch stur die reine Präsenzpflicht. Wäre es hier nicht an der Zeit, dass man gerade Bereiche der reinen Wissensvermittlung (z.B. Vorfahrtsregeln, Verkehrszeichen etc.) als e-learning Angebote zulässt und sich Fahrlehrer in den Präsenzphasen auf diejenigen Dinge konzentrieren können, in denen ihre Fähigkeiten als Pädagogen gefordert sind? Ebenso wurde in den letzten Jahren versäumt, über die Anzahl der Unterrichte nachzudenken. Denn gerade durch die gewandelten Rahmenbedingungen ist auch der Stoffumfang gewachsen. Immer mehr Inhalte müssen so künstlich in die 14 Einheiten gepresst werden, was für Fahrschüler und Fahrlehrer gleichermaßen eine Überforderung darstellt. Auch die nach wie vor geltende Beschränkung auf zwei Doppelstunden pro Tag ist völlig aus der Zeit gefallen. Fahrschüler der Generation Z sind heutzutage viel mehr auf Effizienz und optimierte “Terminverwaltung” getrimmt als früher, was mit dem dringenden Wunsch nach kompakter und intensiver Fahrausbildung einhergeht. Daher ist es überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, dass Schüler zwar täglich bis zu 8 Schulstunden absolvieren dürfen, in der Fahrschule dies aber nicht möglich ist. Es muss doch machbar sein, dass wir den gesamten Theorieunterricht an 2-3 intensiven Tagen mit ausgeruhten und aufnahmefähigen Schülern, z.B. in den Ferien oder an Samstagen, absolvieren können, anstatt sie dazu zu zwingen, sich abends völlig abgekämpft in einen Unterricht zu setzen, der dann unnötig verpufft.

Die praktische Ausbildung

Auch im Bereich der Praxis sitzen wir oft noch gedanklich in Fahrzeugen des letzten Jahrhunderts und bilden genauso aus. Das geht oft mit dem Argument einher, dass die Fahrschüler im Anschluss ja oftmals auch alte Autos fahren und diese alte  Welt auch beherrschen müssen. So sehr das stimmt, so sehr scheint es aber auch eine Ausrede zu sein, sich selbst nicht auf die neue Welt der Fahrausbildung einzulassen. So sind die Beherrschung der Menüführung eines Autos, die Programmierung eines Navis, der sinnvolle Einsatz eines Abstandsregeltempomaten oder die Verwendung von Einparkassistenten keinesfalls Banalitäten, bei denen der Fahrschüler ja nur ein paar Knöpfchen zu drücken braucht und für die es angeblich keines Fahrlehrers bedarf. Wer das behauptet, wird diese Dinge vermutlich noch nie wirklich ausgebildet haben. Hier ist auch der Gesetzgeber gefordert. Die Beherrschung von Fahrassistenten, aber auch von Automatikfahrzeugen und letztlich auch Elektrofahrzeugen gehört zwingend in den Kanon moderner Fahrausbildung. Gleichzeitig müssen wir die “besonderen Ausbildungsfahrten” unter die Lupe nehmen. Seit nunmehr fast 20 Jahren scheinen wir 5 Überland-, 4-Autobahn und 3-Nachtfahrten gegen Ende der Ausbildung für eine Art Naturgesetz zu halten, das erst gar nicht mehr hinterfragt wird. Dabei sind solche Vorgaben immer mehr oder weniger willkürlich und unterliegen einem Wandel. Wer in einem Großstadtdschungel ausbildet oder ausgebildet wird, dem erscheinen die “Sonderfahrten” oft als gemütliche Kaffeefahrt zur Erholung. Im ländlichen Raum hingegen scheint manchmal jede Übungsstunde auch eine Überlandfahrt zu sein. Und manchen Menschen aus anderen Ländern, die vielleicht schon sehr gute, erfahrene Autofahrer sind, zu erklären, dass man mit ihnen diese 12 Stunden absolvieren muss, weil sie nicht  mehr als Umschreiber gelten, ist nahezu unmöglich. Es gibt viele Fälle, in denen das starre Schema der besonderen Ausbildungsfahrten nicht mehr passt. Hier sollte man den Fahrlehrern wieder ein wenig mehr Eigenverantwortung zugestehen und die Flexibilität ermöglichen, bei den besonderen Ausbildungsfahrten die Rahmenbedingungen mit einfließen zu lassen.

Die Simulatoren

Seit einigen Jahren haben die Simulatoren in die Fahrausbildung Einzug gehalten und werden trotz ihrer schnell wachsenden Verbreitung und immer neuer Fähigkeiten und Möglichkeiten bislang von der Gesetzgebung ignoriert. Bislang dienen sie zwar meistens noch “nur” der Entlastung von Fahrlehrern, in denen die ersten Fahrstunden ersetzt werden und die Fahrschüler dann schon bestens für die ersten Stunden im realen Verkehr gerüstet sind. Aber natürlich können Simulatoren weit mehr. Neben Teilen der Sonderfahrten, können sie auch spezielle Gefahrsituationen trainieren oder Verkehrssituationen abbilden, die im Umfeld der jeweiligen Fahrschule schlicht nicht zu finden sind. Ein Unfall auf der Autobahn in nächster Nähe, eine überraschende Vorfahrtsverletzung oder herannahende Rettungsdienste sind nur ein paar wenige Beispiele von Situationen, die ich nicht in jeder Ausbildung trainieren und begleiten kann. Simulatoren können dies hingegen ohne weiteres. Hier ist es an der Zeit, dass Simulatoren ganz offiziell und anrechenbar in die Ausbildung integriert werden können wie es bereits in Grundzügen schon in der Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung geschehen ist. Wenn man es beispielsweise zuließe, dass eine Nachtfahrt oder eine Autobahnfahrt auf einem Simulator durchgeführt werden darf, bekämen diese einen ganz anderen Stellenwert. Gleichzeitig könnte der Gesetzgeber in einem weiteren Schritt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit sogar darauf bestehen, dass Fahrschüler manch gefährliche Situation auf einem Simulator trainiert haben muss, bevor er zur praktischen Prüfung zugelassen wird.

Die Prüfungen

Um manchem zuvor genannten den nötigen Nachdruck zu verleihen, wird es darauf ankommen, auch die Prüfungen den neuen Gegebenheiten anzupassen. So wird man Prüfungsfahrzeuge neu definieren müssen, indem man manche technische Systeme und entsprechende Assistenzsysteme zu einer verpflichtenden Ausstattung macht. Ebenso sind Grundfahraufgaben, Fragen zum Betrieb des Fahrzeugs und der korrekte Umgang mit Assistenzsystemen zu reformieren bzw. neu zu integrieren. 

Und wer nun vielleicht meint, dass das alles noch zu früh ist, der denke an die langsamen Mühlen politischer Arbeit. Denn selbst wenn wir manches heute einfordern und es noch 2017 Einzug in den Koalitionsvertrag halten sollte, so wird es dennoch vielleicht erst am Ende der nächsten Legislatur umgesetzt, also 2021. Und wenn es dann noch gewisse Übergangsfristen gibt, müssen wir hier und jetzt mit all dem anfangen, wenn wir noch vor Mitte des nächste Jahrzehnts mit einer modernisierten Fahrausbildung loslegen wollen.

Ist die deutsche Fahrausbildung noch zeitgemäß?

  • Nein, sie muss modernisiert werden (88%, 392 Votes)
  • Ja, sie soll so bleiben wie sie ist (10%, 45 Votes)
  • weiß nicht (2%, 9 Votes)

Gesamtzahl der Stimmen: 446

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