Die gute Nachricht vorweg lautet, dass es nun endlich gelungen ist, die Reform des Fahrlehrerrechts erfolgreich abzuschließen. Denn nach der Einigung auf zahlreiche Änderungsanträge im Verkehrsausschuss dürfte die Abstimmung über das Gesetz im Bundestag am 30. März nur noch eine Formsache sein. Doch diese Änderungen haben es in sich und das ganze Reformprojekt nochmal kräftig durchgeschüttelt. Ab sofort können sich Fahrschulen, Fahrlehrer und Ausbildungsstätten auf die neuen Regelungen ab dem 1. Januar 2018 vorbereiten. Denn die zuvor noch geplanten Übergangsvorschriften wurden glücklicherweise gestrichen, so dass es keine unbegründbaren Verzögerungen mehr gibt und alles tatsächlich zum Jahreswechsel startet.
Die Rückkehr der 495 Minuten
Lange Zeit sah es so aus, als ob es der Gesetzgeber bei einer allgemeinen Formulierung zu der Arbeitszeit von selbständigen Fahrlehrern belassen würde. Doch die Abgeordneten haben sich auch auf Druck mehrerer Verbände hin dann doch dazu durchgerungen, die 495-Minuten Regelung wieder im neuen Gesetz zu übernehmen. Zu groß war die Angst, ein Einfallstor für diejenigen zu schaffen, die verantwortungslos und zeitlich hemmungslos praktische Fahrstunden geben wollen. Realistisch betrachtet wird auch heute diese Grenze oftmals überschritten. Aber durch die Erwähnung im Gesetz wollte man zumindest die Hürden möglichst hoch belassen und kein Ungleichgewicht gegenüber angestellten Fahrlehrern schaffen, die dem Arbeitszeitgesetz unterliegen. Die Wiederaufnahme der 495 Minuten Grenze wird aber auch große Konsequenzen für die Überwachung haben. Diese sollte eigentlich in Richtung der Überprüfung von fachlicher und pädagogischer Qualität entwickelt werden. Da die Entbürokratisierung des Fahrlehrerwesens nun jedoch eher in homöopathischer Dosis erfolgt und weiterhin genaue Aufzeichnungen geführt werden müssen, ist davon auszugehen, dass der Schwerpunkt auch in Zukunft bei der Formalüberwachung liegen wird, zumal nach dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren noch niemand so genau weiß, wie die pädagogische Überwachung aussehen wird und von wem sie wie zu welchen Kosten ausgeführt werden soll. Die dazugehörigen Verfahren liegen wieder in der Verantwortung der Bundesländer, so dass es wohl noch eine ganze Weile dauern wird, bis in dieser Frage Klarheit herrscht.
Die Angst vor der Konzernfahrschule
Im ursprünglichen Entwurf des Verkehrsministeriums war zunächst geplant, keine konkreten Angaben zur Anzahl möglicher Zweigstellen zu machen, um dem derzeitigen Strukturwandel der Branche gerecht zu werden. Doch die ständig vorgebrachten Warnungen vor Marktwirtschaft und vor dem vermeintlichen Aufkommen gigantischer Konzernfahrschulen wurden schließlich auch erhört. Angesichts der geringen Renditen und des erdrückenden Fahrlehrermangels ist es zwar völlig unrealistisch, dass ADAC, Aldi oder andere ein großes Fahrschulfilialsystem hochziehen würden, da man dort normalerweise des Rechnens fähig ist und man kaum ohne Aussicht auf Personal und Gewinn ein solches Projekt anstoßen würde. Doch schon die bloße Möglichkeit war manchen zu viel, weshalb der Ruf nach protektionistischen Maßnahmen laut wurde. So heißt es nun im Gesetz, dass eine Zahl von 10 Zweigstellen nicht überschritten werden soll. Allerdings wird in der Gesetzesbegründung explizit vermerkt, dass von dieser Sollvorschrift abgewichen werden darf. Ich selbst habe mich im gesamten Reformprozess immer wieder dafür stark gemacht, dass man größere Fahrschuleinheiten genau dann zulässt, wenn sie unter Beweis stellen, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden können. Umso erfreulicher ist, wenn der Gesetzgeber nun genau diesen Gedanken aufgenommen hat, wenn er sagt, dass mehr als 10 Zweigstellen dann möglich sind, wenn eine Fahrschule geeignete Nachweise erbringt, beispielsweise in Form zertifizierter und erfolgreich angewandter Qualitätsmanagementsysteme. So gibt es zwar nun weiterhin eine recht eng gefasste Zweigstellenbegrenzung, aber immerhin besteht eine Öffnungsklausel genau für diejenigen Fahrschulen, die nachweislich zeigen, dass sie auf eine hohe Ausbildungsqualität Wert legen.
Kooperation light
Ein wesentlicher Meilenstein des Gesetzes sollte die Schaffung von Kooperationsmöglichkeiten zwischen Fahrschulen sein. Damit wollte man eigentlich erreichen, dass kleinere Fahrschulen, gerade wenn sie zum Beispiel nur über die Fahrlehrerlaubnis der Klasse BE verfügen, mit anderen Fahrschulen dahingehend zusammenarbeiten können, dass sie einen Teil der Ausbildung (z.B. Klasse A) vergeben können, ohne den Kunden wegschicken zu müssen. Durch mehr Auslastung und bessere Kundenbindung hätten die kleinen Fahrschulen genau davon profitiert und für andere wäre es vielleicht lohnend geworden, sich auf eine Klasse zu spezialisieren und so bestimmte Nischen zu besetzen. Dem wurde aber dadurch ein Riegel vorgeschoben, dass “Auftrag gebende und Auftrag nehmende Fahrschule” jeweils über die Fahrschulerlaubnis des zu übertragenden Ausbildungsteils verfügen müssen. Somit kann eine reine BE Fahrschule also gerade nicht einen Schüler annehmen, der die Klassen A und B machen will und den Anteil A an eine kooperierende Fahrschule weitergeben. Damit ist das ursprüngliche Ziel der Kooperation verfehlt. Vielmehr wird es nun zu einem reinen Instrument für größere Fahrschulen mit einer Erlaubnis für mehrere Klassen, die bei Überlastung einen Teil der Ausbildungen an kleinere Fahrschulen abgeben können. Statt auf Augenhöhe miteinander kooperieren zu können, werden vielmehr größere Platzhirsche die Konditionen diktieren können. Damit wird aus der Kooperation in Wirklichkeit eine Art neues Subunternehmertum, wie man es z.B. aus der Logistikbranche kennt.
Teilzeitausbildung
Zur großen Überraschung vieler wurde nun auch die Möglichkeit geschaffen, die Fahrlehrerausbildung in Teilzeit durchzuführen. Denkbar ist zudem eine modular strukturierte Ausbildung mit fortlaufendem Einstieg. Damit wollte der Gesetzgeber eine weitere Hürde für die Fahrlehrerausbildung abbauen. Es lässt sich allerdings nur schwer abschätzen, ob es wirklich hinreichend großen Bedarf für Fahrlehrerausbildungen gibt, die sich inklusive Praktikum über mehrere Jahre hinweg erstrecken. Für die Ausbildungsstätten ist diese Änderung aber zweifelsohne eine große Herausforderung, denn sie werden in einen Wettbewerb um neue Ausbildungskonzepte geraten und ihre Angebote neu strukturieren müssen. Wenn auf diese Weise vielleicht mehr Menschen Zugang zum Fahrlehrerberuf erhalten, wäre das angesichts des völlig ausgetrockneten Fahrlehrermarkts sicher zu begrüßen.
Freie Mitarbeiter
Unerwartet wurde dann noch das ursprünglich geplante Verbot einer freien Mitarbeiterschaft von Fahrlehrern gestrichen. Dies ist insofern schwer nachzuvollziehen, als sich bei der offiziellen Verbandsanhörung im Bundestag alle geladenen Verbände für dieses Verbot ausgesprochen haben und auch in zahlreichen Gesprächen mit Abgeordneten sich niemand so recht für die freie Mitarbeiterschaft erwärmen wollte. Aber hinter den Kulissen scheint sich die Interessenlage dann doch in den letzten Abstimmungen verändert zu haben.
Das Ergebnis
Die ganz große – von manchen erhoffte und von anderen befürchtete – Revolution ist es nun schlussendlich nicht geworden. Die zuständige Referatsleiterin im Bundesverkehrsministerium, Renate Bartelt-Lehrfeld, hat allerdings eine beeindruckende und hoch ambitionierte Reformagenda auf den Weg gebracht, die ihrem Haus wahrlich zu Ehren gereichte. Doch auch sie wird sich bewusst gewesen sein, dass in solch ehrgeizigen Reformprojekten im Laufe der Zeit der ein oder andere Kompromiss eingegangen werden muss, vor allem wenn Vertreter von Verbänden, Bundesländern oder der Politik zum Teil ganz unterschiedliche Vorstellungen haben. Gleichwohl wird der längst stattfindende Strukturwandel der Fahrschullandschaft behutsam unterstützt und das angestaubte Fahrlehrerrecht modernisiert. Vor allem trägt die Reform aber dem erdrückenden Fachkräftemangel Rechnung. Sie bietet die große Chance, mehr Menschen für den Fahrlehrerberuf zu gewinnen. Denn Zugangshürden wurden abgesenkt und gleichzeitig die Ausbildungsqualität erhöht. Jetzt ist es an den Fahrschulen, sich anzustrengen und neue Fachkräfte auf dem heiß umkämpften Arbeitsmarkt anzuwerben bzw. für eine Ausbildung zu gewinnen. Die Politik hat nur den Rahmen geschaffen, aber die Umsetzung obliegt den Fahrschulen selbst. Hoffen wir, dass die Fahrschulwelt die Chancen ergreift, die das neue Gesetz ab 2018 bieten wird. (Weitergehende Informationen zur Stellungnahme der Verbände und das Wortprotokoll der Anhörung finden sich hier auf den Seiten des Bundestags.)
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