Seit einiger Zeit wird in unserer Branche intensiv darüber diskutiert, wie man dem mehr und mehr um sich greifenden Fahrlehrermangel begegnen kann. Quer durch Deutschland vernimmt man immer häufiger verzweifelte Klagen darüber, dass es heutzutage nahezu aussichtslos zu sein scheint, an neue Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer zu kommen. Für Fahrschülerinnen und Fahrschüler wird es dadurch immer schwerer, an den teils heiß ersehnten Führerschein in angemessener Zeit zu gelangen. Wartezeiten auf die erste Fahrstunde von mehreren Wochen sind derzeit an vielen Orten üblich und auch danach geht die Ausbildung oft nur schleppend voran, was zu enormem Frust bei allen Beteiligten führt.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Fachkräftemangel viele Branchen erfasst hat und die Fahrlehrerschaft hier in einem harten Konkurrenzkampf zu anderen Berufen steht. Junge Menschen haben heutzutage nahezu freie Auswahl, wenn es darum geht, einen für sie passenden Ausbildungsberuf mit einem sicheren Arbeitsplatz zu finden. Wer sicherstellen will, dass es in diesem Land auch künftig Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer gibt, muss sich daher diesem Wettbewerb stellen und dafür sorgen, dass der Fahrlehrerberuf beim Kampf um die besten Köpfe einen positiven Eindruck hinterlässt.
Keinesfalls hilft es in diesem Zusammenhang weiter, wenn die eigenen Leute, die den Beruf ausüben, auf schwierige rechtliche Rahmenbedingungen verweisen, manche Arbeitsbedingungen monieren oder gar die Jugend an sich schlecht reden. Wer sich ständig nur beklagt oder womöglich den gesamten Beruf selbst in ein schlechtes Licht rückt, braucht sich nicht zu wundern, dass Jahr für Jahr der Mangel an neuen Arbeitskräften zunimmt und die Überalterung immer mehr zum Problem wird.
Stattdessen wird es Zeit, dass jede einzelne Fahrlehrerin und jeder einzelne Fahrlehrer in diesem Land zum Botschafter für unseren Berufsstand wird und auch einmal die positiven Aspekte des Fahrlehrerdaseins beleuchtet und darüber spricht. Es geht um nicht weniger, als die “Faszination Fahrlehrer” als Botschaft unter die Menschen zu bringen. Wir sollten also weniger über Arbeitszeiten sprechen als vielmehr über die Leidenschaft, die mit diesem Beruf verbunden ist.
So sind wir als Fahrlehrer in erster Linie “Glücklichmacher”. Denn im Regelfall erleben wir als “Produkt” unserer Arbeit einen Menschen, der glücklich mit seinem Führerschein aus unserem Auto steigt und der häufig Zeit seines Lebens dankbar und hoffentlich auch mit Freude an seine Ausbildungszeit mit uns zurückdenken wird. Wir haben weiterhin das Privileg, im Rahmen der Erwachsenenbildung als Pädagogen jeden Tag mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen, was vielen nicht vergönnt ist, die zum Beispiel “nur” mit einer Maschine oder einem Computer vorlieb nehmen müssen. Auch der Arbeitsplatz “Straße” schreibt trotz allem Stress auch jeden Tag seine hübschen Anekdoten, über die wir oft schmunzeln, die wir auf unseren social media Kanälen teilen oder in unseren Theorieunterricht einbauen. Reizvoll ist in Wirklichkeit auch die Vielschichtigkeit der Existenz als Fahrlehrer. Wir sind bekanntermaßen Pädagogen, Geschäftsleute, Kummerkasten, Hobbypschyologen, Berater, Mechaniker und vieles mehr in einer Person vereint. Nicht zuletzt benötigen wir als Fahrlehrer eine breite fachliche Kompetenz, die weit über die Vermittlung der Straßenverkehrsordnung hinausgeht. Wir geben Auskunft, welche Versicherungen man benötigt, welche Fahrzeugtypen für wen in Frage kommen, wie man Fahrzeuge zulässt, wie man welche Assistenzsysteme bedient, wie man mit Konfliktsituationen umgeht usw. Das alles ist mit lebenslangem Lernen verbunden und von Eintönigkeit kann da wahrlich keine Rede sein. Die Besonderheiten des Fahrlehrerberufs könnte man hier sicher noch länger ausführen. Aber es sollte auch so schon klar geworden sein, dass die Arbeit in diesem Berufsbild spannend, befriedigend, aufregend, vielschichtig, emotional, kommunikativ, bildend und herausfordernd sein kann. Und wenn man jetzt einmal intensiv über die diversen Berufsbilder nachdenkt, zu denen Fahrlehrer in Konkurrenz stehen, dann kann man mit einer einigermaßen positiven Einstellung schnell erkennen, dass die Arbeit als Fahrlehrer sehr viel zu bieten hat und sich dieser Beruf sicher nicht hinter anderen verstecken muss.
Schließlich können sich auch die Verdienstmöglichkeiten durchaus sehen lassen. In guten Unternehmen lassen sich jährliche Bruttoeinkommen je nach Region und Konstellation von 33000-50000 Euro ohne weiteres realisieren mit derzeit steigender Tendenz. Auch hier ist die Fahrschulbranche im Vergleich zu anderen Berufen gut aufgestellt, denn immerhin wird häufig der geltende Mindestlohn um mehr als das doppelte überschritten, was in vielen anderen Ausbildungsberufen nicht erreicht wird.
Um den Fahrlehrermangel zu beseitigen, wird es zweifelsohne viele einzelne Maßnahmen benötigen, um in Summe zum Erfolg zu gelangen. Man wird auf vielen Ebenen werben müssen, wie das zum Beispiel über die Plattform Fahrlehrerkarriere geschieht, die Unternehmen werden die Finanzierung für die Ausbildung übernehmen und auch manche Rahmenbedingungen werden attraktiver gestaltet werden müssen. Aber vor alledem steht ein erster wichtiger Schritt, nämlich eine grundlegend positive Einstellung zu unserem Beruf und der Wille, Interessenten für diesen Beruf die “Faszination Fahrlehrer” näherzubringen.
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