Wer in den vergangenen Wochen glaubte, die Reform des Fahrlehrerrechts sei nun langsam in trockenen Tüchern, für den gab es auf dem Fahrlehrerkongress in Berlin ein böses Erwachen. Denn noch auf der Zielgeraden zum Kabinettsbeschluss wurde ein zentraler Bestandteil der Reform, nämlich die angestrebte Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Fahrschulen, überraschend auf Mitte 2019 verschoben. Ursprünglich sollte die Reform ja die Ausbildungsqualität von Fahrlehrern, die Entbürokratisierung und die Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation gleichermaßen voranbringen, um schlussendlich auch gegen den inzwischen dramatischen Fahrlehrermangel anzugehen.  

So hätten kleinere Fahrschulen eigentlich von neuen Kooperationsmöglichkeiten profitieren sollen, sei es durch Spezialisierung auf einzelne Fachgebiete, durch gemeinsame Nutzung von Ressourcen oder schlicht durch die Verbesserung der Auslastung. Die neuartige Form der Kooperation wäre dabei gerade für die klassische “Ein-Mann-Fahrschule” eine riesige Chance, insbesondere im ländlichen Raum oder in strukturschwachen Gebieten. Größere Fahrschuleinheiten wiederum sollten von der etwas gelockerten Zweigstellenregelung profitieren.  Gerade die Kombination dieser beider Maßnahmen würde eine gesunde Balance zwischen kleineren und größeren Fahrschulen ermöglichen. Doch genau diese Kernelemente wurden klammheimlich im §69 des neuen Gesetzes in Form von Übergangsregelungen auf die letzten Monate dieses Jahrzehnts verschoben.

Die Vermutung liegt nahe, dass für einen solchen Schritt weniger die Fachleute und Experten im Ministerium als vielmehr Einflussnahme von der politischen Ebene verantwortlich sein dürfte. Ob die dafür zuständigen Strippenzieher im Hintergrund damit absichtlich die gesamte Reform torpedieren wollten oder sich schlicht nicht der Tragweite dieser Verschiebung bewusst waren, sei einmal dahingestellt. Es sollte aber allen Beteiligten klar sein, dass ohne wirtschaftliche Stabilität die anderen Reformteile hinfällig werden könnten. Denn die Gesetzesnovelle an sich wird trotz einiger Verbesserungen und Erleichterungen nicht für qualifizierten Nachwuchs sorgen. Wir werden nur dann Menschen für eine Ausbildung zum Fahrlehrer gewinnen können, wenn sie in der Fahrschulbranche auf verlässliche, zukunftssichere und finanziell gesunde Strukturen treffen. Um neue Mitarbeiter zu gewinnen, braucht es bekanntermaßen nicht allein eine angemessene Bezahlung, sondern vor allem auch vernünftige Arbeitsbedingungen. Diese können aber nur von Betrieben, seien sie klein oder groß, gewährleistet werden, die wirtschaftlich nicht mit dem Rücken zur Wand stehen. Solange ordentliche Arbeitsverträge, geregelte Arbeits- und urlaubszeiten, bezahlte Fortbildung, monatliche Entlohnung und derlei mehr nicht bundesweit selbstverständlich sind, solange werden wir es trotz Entbürokratisierung und Änderungen bei der Ausbildung schwer haben, uns gegen andere Branchen zu behaupten.

Genau genommen müsste also gerade am Anfang der Reform die wirtschaftliche Gesundheit der Betriebe im Vordergrund stehen, damit die anderen Teile überhaupt erst ihre Wirkung entfalten können. Nach heutigem Stand soll aber erst am 1. Juli 2019 überhaupt damit begonnen werden, den dringend nötigen Strukturwandel zuzulassen. Dieses Datum ist so willkürlich gewählt wie das dazugehörige Argument vorgeschoben ist, nämlich dass ausgerechnet die Fahrschulen selbst eine derart lange Vorbereitungszeit benötigten, um sich auf die neue Situation einzustellen. Die Verfasser der Gesetzesbegründung dürften selbst bei dem Gedanken innerlich geschmunzelt haben, dass ein Fahrschulinhaber angeblich ab heute gerechnet zweieinhalb Jahre benötigt, um darüber nachzudenken, ob er mit einer anderen Fahrschule kooperiert oder nicht. Das ist bestenfalls amüsant, aber sicherlich keine seriöse Argumentation.

Insofern gilt es nun, nochmal von möglichst vielen Seiten auf die Abgeordneten des Bundestags und dabei vor allem auf die Mitglieder des Verkehrsausschusses einzuwirken, damit die politischen Heckenschützen die lang ersehnte Reform nicht doch noch zu Fall bringen.          

Sascha Fiek
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Autor

Gründer des Blogs Fahrlehrerwelt, Fahrlehrer aller Klassen und Geschäftsführer der ACADEMY Fahrschule Fiek GmbH in Freiburg. Er betreibt auch einen persönlichen Blog unter www.saschafiek.de.

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