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Sascha Fiek

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Schon rein statistisch gesehen war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Wagen der Firma Tesla mit aktiviertem Fahrassistenzsystem in einen schweren Unfall verwickelt sein würde. Bösartig formuliert könnte man sagen, die Kritiker der elektronischen Assistenten hätten geradezu auf diesen Moment gewartet angesichts der Flut an Artikeln, die sich nun mit diesem Thema beschäftigen und oft von Argwohn gegenüber der neuen Technik geprägt sind. Auf den ersten Blick mag der tragische Unfall am 7. Mai mit tödlichem Ausgang in Florida eine Schlagzeile wert sein, weil die ganze Welt das Treiben von Tesla und dem Gründer Elon Musk beobachtet.

Allerdings scheint es der Umkehr von Ursache und Wirkung zu bedürfen, um aus dem bisher bekannten Unfallgeschehen eine Sensation kreieren zu können oder gar der Weiterentwicklung von Assistenzsystemen eine Absage zu erteilen. Denn alles deutet darauf hin, dass es sich in erster Linie wie so oft um menschliches Versagen gehandelt und die Technik genau genommen nur eine sekundäre Rolle gespielt hat. Wie einem ausführlichen Bericht der New York Times oder auch der Darstellung von Tesla in deren Blogeintrag zu entnehmen sind, wurde der Unfall dadurch verursacht, dass ein Lastwagenfahrer beim Linksabbiegen auf dem Highway offenbar dem Fahrer des Tesla den Vorrang genommen hat, wie ihn die Infografik der Süddeutschen Zeitung illustriert. .

Unfallverlauf des Tesla S / SZ Infografik
Unfallverlauf des Tesla S in Florida / SZ Infografik

Demnach kommt zunächst einmal als eigentlicher Unfallverursacher der Fahrer des Lastwagens in Betracht, auch wenn endgültige Analysen noch ausstehen. Hinzu kommt, dass der Fahrer des Tesla S anscheinend gar nicht reagiert hat und der Wagen ungebremst unter den Anhänger des Lastwagens gerast ist. Dies deutet daraufhin, dass der Fahrer des Tesla in hohem Maß abgelenkt war und er sich über alle Warnhinweise hinweggesetzt hat, die verlangen, dass er auch bei aktiviertem Assistenzsystem die Hände am oder beim Lenkrad lassen und stets eingriffbereit sein muss. Ob er wirklich wie vermutet auf einem Laptop einen Videofilm betrachtete, wird die weitere Unfallanalyse noch genauer untersuchen. Vieles spricht daher dafür, dass es zwei menschliche Fehler waren, die in ihrer Verkettung zur Tragödie geführt haben.

Die Technik hingegen hat es in diesem Fall schlicht (noch) nicht vermocht, das menschliche Fehlverhalten zu kompensieren. Denn für dieses Unfallszenario war die Technik auch gar nicht ausgelegt wie die Firma Mobileye mitteilte, welche das Kamerasystem für den Tesla produziert. Erst 2018 rechne man durch Verbesserungen des Systems damit, auch den hier dargestellten Unfalltypus vorab erkennen und schlussendlich verhindern zu können.

Schließlich ist auch festzuhalten, dass die Technik keinen fehlerhaften Eingriff begangen hat, den der Mensch nicht mehr auszugleichen in der Lage war. Vielmehr hat das System schlicht gar nicht reagiert, weil es darauf noch noch nicht entsprechend vorbereitet war. Allerdings haben Tesla und Elon Musk auch niemals behauptet, dass es sich um ein ausgereiftes System handele, mit dem autonomes Fahren möglich sei. Wer dies dennoch suggeriert, um Schlagzeilen zu produzieren, wird der Sache nicht gerecht. Genausogut könnte man Handyherstellern vorwerfen, ihre Geräte seien für Unfälle verantwortlich, weil die Fahrer sie während der Fahrt benutzen und sich dadurch ablenken lassen.

Das Tesla Model S in der Kritik / Quelle: Teslamotors, Alexis Georgeson
Das Tesla Model S zu Unrecht in der Kritik / Quelle: Teslamotors, Alexis Georgeson

Noch sind es die Fahrer selbst, die die Hauptverantwortung für ihr Handeln Verkehrsgeschehen innehaben. Es wäre daher unfair, in Fällen wie dem hier geschilderten die Schuld der Technik in die Schuhe schieben zu wollen und die Fahrer aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Ohne Zweifel wird es in Zukunft Unfälle geben, bei denen tatsächlich auch technisches Versagen in Form fehlerhafter oder eigentlich zu erwartender Eingriffe von Assistenzsystemen die Hauptrolle spielen wird. Dies wird dann aber dazu führen müssen, aus den Unfällen zu lernen und die Technik weiter zu verbessern anstatt sie zu verteufeln. Denn der “Risikofaktor Mensch” wird auf moderne Assistenzsysteme angewiesen sein, wenn er die Unfallzahlen maßgeblich senken will.

In der zum Teil sehr emotional geführten Debatte um die anstehende Reform des Fahrlehrerrechts lässt vor allem die Frage nach der Betriebsgröße von Fahrschulen die Gemüter immer wieder besonders hochkochen. Die Auseinandersetzung um kleine, mittlere oder große Fahrschulen ist dabei allerdings überflüssig wie ein Kropf, ist sie doch meist geprägt von Unterstellungen und Annahmen, denen es an Substanz mangelt. So wird auf der einen Seite gerne das Schreckgespenst einer bösen Konzernfahrschule bemüht, die angeblich alle anderen Fahrschulen auf einen Schlag hinwegfegen wird, während auf der anderen Seite kleine Fahrschulen als Schwarzgeldklitschen verunglimpft werden, bei denen alles nichts außer Lug und Trug sei.

Solche pauschalen Urteile sind nicht nur ungerecht, sie vergiften auch völlig unnötigerweise das Klima der Diskussion. Verkannt wird dabei vor allem, dass sich die Situation des Fahrschulmarkts radikal gewandelt hat und wir heute vor ganz anderen Probleme stehen als noch vor wenigen Jahren. Vorbei sind die Zeiten, als Fahrschulen mittels ruinöser Preiskämpfe um Kunden wetteifern mussten. Vorbei sind die Zeiten, als es ein Überangebot an Fahrlehrern gab und die Fahrschulkunden noch prompt bedient werden konnten. Heute ist es leichter, ein Goldnugget im Schwarzwald zu finden als einen Fahrlehrer auf dem freien Markt. Gerade in Ballungsgebieten ist es inzwischen normal, dass ein Fahrschüler nach der Anmeldung viele Wochen auf seine erste Fahrstunde warten muss und sich die Ausbildung selbst dann über Monate zieht, weil schlicht das Personal fehlt.

In einem solchen Marktumfeld gibt es eigentlich keinen Grund mehr, Ängste zu schüren oder einen einzelnen Fahrschultypus zu bevorzugen. Denn in einer Frage sind sich stets alle institutionellen Vertreter einig, nämlich dass die Qualität der Ausbildung im Vordergrund stehen muss. Und diese Ausbildungsqualität hängt nicht von der Größe des Betriebes ab, sondern von ganz anderen Faktoren. Eine fundierte Ausbildung, eine gesunde Einstellung zum Beruf, eine adäquate finanzielle Situation, eine Anerkennung der eigenen Leistung und geordnete Arbeitsbedingungen, die eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in einem stabilen sozialen Umfeld ermöglichen, sind die Schlüsselfaktoren für eine qualitativ hochwertige Fahrausbildung. Grundsätzlich lassen sich all diese Faktoren in allen Betriebsgrößen verwirklichen, unabhängig davon, ob ein Fahrschulinhaber alleine ist oder mit 10, 100 oder 1000 Mitarbeitern hantiert. Natürlich unterscheiden sich die Strukturen solcher Betriebe. Inhaber kleiner Fahrschulen zum Beispiel in ländlichen Gebieten haben den Vorteil, all ihre Kunden persönlich zu kennen. Sie sind häufig eingebettet in die Gemeinschaft, sind aktiv in Vereinen und Verbänden. Wenn solche Inhaber ihren Job nicht ordentlich erledigen, bekommen sie das ganz schnell ganz persönlich zu spüren, wohingegen sie sich durch eine gute Arbeit ein Vertrauensverhältnis aufbauen können, was ihnen Zeit ihres Arbeitslebens Anerkennung und ein gutes Auskommen ermöglichen kann. Je größer eine Fahrschule hingegen wird, desto mehr ist sie auf professionelle Verwaltungsabläufe angewiesen, mit der sie die höhere Kundenanzahl bewältigen kann. Hier sind strukturierte Prozesse und ein Management auf verschiedenen Ebenen nötig, um eine hohe Ausbildungsqualität zu garantieren, auch wenn die Führungsebene nicht mehr jeden einzelnen Kunden persönlich kennen kann.

Am Ende ist es aber immer der einzelne Fahrlehrer im Auto oder im Unterrichtsraum, der nicht nur für die Qualität der Ausbildung einsteht, sondern auch seine Firma repräsentiert und damit über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Weder die Kleinstfahrschule noch der Großkonzern haben eine Überlebenschance, wenn nicht die Arbeit am und mit dem Kunden stimmig ist. Somit gilt es, endlich von allen Seiten die Existenzberechtigung aller Fahrschultypen uneingeschränkt anzuerkennen und sich vielmehr darauf zu konzentrieren, dass die oben genannten Schlüsselfaktoren bestmöglich verwirklicht werden können. Denn nur mit diesen lässt sich das übergeordnete Ziel der größtmöglichen Verkehrssicherheit im Rahmen der Ausbildung anstreben.

Dazu sei abschließend auch gesagt, dass es nicht Aufgabe der Politik sein kann und darf, mit rechtlichen Mitteln auf die künftige Betriebsgröße von Fahrschulen Einfluss zu nehmen. Vieles deutet darauf hin, dass die bisherigen Regelungen zu den Rechtsformen aber auch der Zweigstellenbeschränkung aus verfassungs- und europarechtlichen Erwägungen heraus nicht mehr haltbar sind. Wenn daher der Istzustand nun von der großen Reform der Fahrlehrerrechts korrigiert wird, um den herrschenden rechtlichen Rahmenbedingungen und dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft gerecht zu werden, dann sollten wir das weniger mit harscher Kritik als vielmehr der gebotenen Zustimmung begleiten. Denn am Ende sind es wir als Fahrlehrer, die für die Qualität der Ausbildung sorgen und nicht die Frage, wie viele Zweigstellen eine Fahrschule unterhält.

Vertreter von immerhin 35 Nationen kamen zum diesjährigen Kongress der Cieca in Madrid zusammen, einer internationalen Kommission, die sich um die Belange der Fahrprüfung, der Fahrausbildung und der Verkehrssicherheit im allgemeinen kümmert. Im Zentrum der Ansprachen und Vorträge des umfangreichen Programms standen Fragen nach der Integration der Fahrassistenzsysteme in die Führerscheinausbildung und nach der Verwirklichung der ‘Vision Zero’. Damit ist nichts anderes gemeint als der Wunsch, eines Tages überhaupt keine Verkehrstoten auf unseren Straßen mehr beklagen zu müssen. Dies mag im ersten Moment nur eine Utopie sein, der man sich bestenfalls annähern kann. Doch allein, dass man sich weltweit bemüht, dieses Ziel gemeinsam zu verfolgen, ist beachtlich und durchaus mit Erfolgen verbunden. So konnte Szabolcs Schmidt als Vertreter der Europäischen Kommission darauf verweisen, dass die Zahl der Unfalltoten in der EU seit Beginn des Jahrtausends von rund 54000 auf nun noch 25 000 im Jahr 2015 mehr als halbiert werden konnte. Wie viele andere seiner Kollegen verwies auch er auf das große Potenzial vernetzter Fahrzeuge mit steigendem Automatisierungsgrad für die Verkehrssicherheit. Er erläuterte in diesem Zusammenhang die Pläne der EU hinsichtlich einer intensiven grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zur Einführung und Nutzung automatisierter Fahrzeuge und der damit verbundenen Herausforderungen, die in der aktuellen Erklärung von Amsterdam niedergelegt sind, die im April 2016 unterzeichnet wurde.

Die Direktorin der Spanischen Verkehrsbehörde (DGT), María Seguí, machte darauf aufmerksam, dass durch die neuen technischen Systeme in Autos gerade eine ganz neue auszubildende “Jugend” entsteht, nämlich in Form von Menschen, die schon seit mehr als 10 Jahren im Besitz des Führerscheins sind und nun ein “update” brauchen, um überhaupt die aktuellen Fahrzeuge bedienen zu können. Ebenfalls machte sie deutlich, dass sich die Fahrausbildung mit seinen technisch-mechanischen Ansätzen wie dem Umgang mit Schaltung und Kupplung verschieben wird hin zu einer sozial orientierten Ausbildung, in der Kommunikation und das Verständnis der menschlichen Abläufe im Verkehr eine wesentlich größere Rolle spielen werden.

Vor einer zu euphorischen Haltung bezüglich der Einführung vollends autonomer Fahrzeuge, die auf keinen menschlichen Fahrer mehr angewiesen sind, warnte allerdings der Philosoph Charles Johnson aus England. In seinem Vortrag zeigte er auf, dass es derzeit bis auf wenige Ausnahmen weder im Flug-, noch im Schiffs- oder Zugverkehr autonom agierende Einheiten gibt. Dabei sei neben mancher technischer und rechtlicher Schwierigkeiten vor allem der letzte Schritt von hochautomatisierten zu autonomen Systemen entgegen der landläufigen Meinung extrem kostenintensiv. Die gebotene technische Sicherheit und Verlässlichkeit für autonome Systeme sowie die Errichtung dafür nötiger Infrastruktur sei wesentlich teurer als gemeinhin angenommen und somit der Einsatz von menschlichen Piloten, Kapitänen und Fahrern günstiger. Bei allen Verkehrsträgern mit hohem Automatisierungsgrad habe sich zudem gezeigt, dass die Übernahme der Kontrolle durch den Menschen in Notsituationen mit dem Problem behaftet ist, dass der Mensch in solchen Fällen oft nicht mehr in der Lage ist, schnell zu reagieren und eine Situation in angemessener Zeit zu überblicken. Dies ist gerade mit Blick auf die
Komplexität des Straßenverkehrs von Bedeutung, in dem oft sehr kurze Rektionszeiten in solchen Momenten notwendig sind, wenn ein System einen Fehler aufweist oder begeht und der Mensch die Steuerung wieder selbst übernehmen muss. Trotz dieser etwas vorsichtigeren Einschätzung mit Blick auf die künftige Entwicklung unserer Autos zeigten sich die Teilnehmer des Kongresses zuversichtlich, dass es mithilfe der Fahrassistenten gelingen wird, einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit zu leisten, zumal 90% des Unfallgeschehens auf menschliches Versagen zurückzuführen ist.

 

im voll besetzten Saal herrschte großes Interesse an den aktuellen Entwicklungen
im voll besetzten Saal herrschte großes Interesse an den aktuellen Entwicklungen

In den Ausführungen von Peter Morsink aus den Niederlanden wurde weiterhin deutlich, dass zwar die unterschiedlichsten Assistenzsysteme längst in den Autos verbaut werden, es aber immer noch völlig unklar ist, wie die Fahrzeugführer mit diesen vertraut gemacht werden sollen, sei es in der Fahrausbildung oder bei erfahrenen Fahrern. Er selbst berichtete über seine Studie mit einer überschaubaren Anzahl an Teilnehmern über die Verwendung des Toten Winkel Assistenten sowie dem Abstandsregeltempomat, bei der sich verkürzt gesagt gezeigt hat, dass ersterer als sinnvolle Einrichtung zu mehr Sicherheit angesehen wird, während zweiterer eher als entbehrbares Luxuselement angesehen wird. Offensichtlich haben Wissenschaft und Fahrlehrerschaft hier noch einen weiten Weg vor sich, wenn es darum geht, die Einführung der Fahrassistenzsysteme zu begleiten.

Ohne an dieser Stelle auf alle Vorträge eingehen zu können, ist jedoch abschließend sehr positiv festzuhalten, dass es über den ganzen Planeten verteilt zum Teil massive Anstrengungen gibt, grenzüberschreitend auf die Vision Zero hinzuarbeiten. Dabei ist dies nicht allein Aufgabe von Behörden und Gesetzgebern, sondern insbesondere auch von gut ausgebildeten Fahrlehrern, die es in der Hand haben, ganz direkt und in der Praxis sich dieser Vision mit ihren Schülern zu nähern. Die Organisation Cieca sorgt dabei sinnvollerweise für einen Austausch der Nationen untereinander, um voneinander lernen zu können.

Ohne Zweifel erlebt die Fahrschulbranche derzeit einen Umbruch, wie es ihn in der Geschwindigkeit zuvor nie gab. Quasi jahrzehntelang änderte sich die Welt der Fahrlehrer nur in überschaubaren Schritten. Die Autos, in denen die Schüler ausgebildet wurden, hatten einen Verbrennungsmotor und drei Pedale. In den Unterrichtsräumen hing eine Tafel, es gab vielleicht einen Diaprojektor und die Schüler büffelten über ihren Papierbögen, um sich für die Theorieprüfung fit zu machen (natürlich außerhalb des Unterrichts). Vor rund 20 Jahren nahm der Wandel dann Fahrt auf. Aus Tafeln wurden Whiteboards, aus Diaprojektoren erwuchsen CD-I, Videos und schließlich PC/Beamer/Tablet-Einheiten. Die Autos von heute verlieren Stück für Stück den Schaltknüppel und das Kupplungspedal, erhalten große Lithium-Ionen-Batterien und werden mit so viel Assistenz- und softwaresystemen und einer Vielzahl an Bedienungseinrichtungen vollgestopft, dass sich der geneigte Fahrlehrer langsam im Cockpit einer Boeing 747 wähnt. Dazu passt, dass auch in die Fahrausbildung Simulatoren Einzug halten, was früher eben nur etwas für Piloten war.

Doch neben all diesen eigentlich schon ausreichenden technischen Revolutionen wartet auch die Kundschaft mit einigen Besonderheiten auf. Vorbei ist die Zeit, als grundsätzlich mit 18 Jahren der Führerscheinerwerb zu erfolgen hatte. Heute sind die Kunden mal 16, mal 30, mal 50. Und auch mit 90 Jahren kommt man heute in die Fahrschule, um herauszufinden, ob man noch fit genug ist, auch bis zum 100. Geburtstag im Verkehr mitmischen zu dürfen. Zudem herrscht dank der Globalisierung manchmal ein babylonisches Sprachgewirr und die Fahrlehrerschaft muss mit Wörterbuch oder Dolmetscher bewaffnet den Ritt in den Verkehr wagen.

Während also die Fahrlehrer dabei sind, gleichzeitig das Navi im Auto zu programmieren, eine Anfrage aus dem Büro telefonisch über das smartphone mit bluetooth-Headset zu besprechen und auf ihrem pad eine Schüleranfrage per WhatsApp zu beantworten, stellt sich ihnen vielleicht noch obendrauf die Frage, wohin die Reise als Fahrlehrer im Moment wohl gehen mag.

Das ist Grund genug, an dieser Stelle einmal die fachkundige Leserschaft zu befragen:

Was sind für Sie die Megatrends 2016 (mehrere Antworten möglich)

  • Simulatorausbildung (19%, 20 Votes)
  • Assistenzsysteme (16%, 17 Votes)
  • Ausbildung auf Elektrofahrzeugen (15%, 16 Votes)
  • e-learning/blended learning (14%, 15 Votes)
  • Intensivkurse (12%, 13 Votes)
  • Seniorenausbildung (8%, 9 Votes)
  • Umschreibungen (7%, 8 Votes)
  • Automatikausbildung (6%, 6 Votes)
  • keine (3%, 3 Votes)
  • sonstiges (bitte im Kommentar vermerken) (0%, 0 Votes)

Gesamtzahl der Stimmen: 41

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Seit einiger Zeit wird in unserer Branche intensiv darüber diskutiert, wie man dem mehr und mehr um sich greifenden Fahrlehrermangel begegnen kann. Quer durch Deutschland vernimmt man immer häufiger verzweifelte Klagen darüber, dass es heutzutage nahezu aussichtslos zu sein scheint, an neue Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer zu kommen.  Für Fahrschülerinnen und Fahrschüler wird es dadurch immer schwerer, an den teils heiß ersehnten Führerschein in angemessener Zeit zu gelangen. Wartezeiten auf die erste Fahrstunde von mehreren Wochen sind derzeit an vielen Orten üblich und auch danach geht die Ausbildung oft nur schleppend voran, was zu enormem Frust bei allen Beteiligten führt.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Fachkräftemangel viele Branchen erfasst hat und die Fahrlehrerschaft hier in einem harten Konkurrenzkampf zu anderen Berufen steht. Junge Menschen haben heutzutage nahezu freie Auswahl, wenn es darum geht,  einen für sie passenden Ausbildungsberuf mit einem sicheren Arbeitsplatz zu finden. Wer sicherstellen will, dass es in diesem Land auch künftig Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer gibt, muss sich daher diesem Wettbewerb stellen und dafür sorgen, dass der Fahrlehrerberuf beim Kampf um die besten Köpfe einen positiven Eindruck hinterlässt.

Keinesfalls hilft es in diesem Zusammenhang weiter, wenn die eigenen Leute, die den Beruf ausüben,  auf schwierige rechtliche Rahmenbedingungen verweisen, manche Arbeitsbedingungen monieren oder gar die Jugend an sich schlecht reden. Wer sich ständig nur beklagt oder womöglich den gesamten Beruf selbst in ein schlechtes Licht rückt, braucht sich nicht zu wundern, dass Jahr für Jahr der Mangel an neuen Arbeitskräften zunimmt und die Überalterung immer mehr zum Problem wird.

Stattdessen wird es Zeit, dass jede einzelne Fahrlehrerin und jeder einzelne Fahrlehrer in diesem Land zum Botschafter für unseren Berufsstand wird und auch einmal die positiven Aspekte des Fahrlehrerdaseins beleuchtet und darüber spricht. Es geht um nicht weniger, als die “Faszination Fahrlehrer” als Botschaft unter die Menschen zu bringen. Wir sollten also weniger über Arbeitszeiten sprechen als vielmehr über die Leidenschaft, die mit diesem Beruf verbunden ist.

Fahrlehrer als "Glücklichmacher" Bild: veryulissa/shutterstock
Fahrlehrer als “Glücklichmacher” Bild: veryulissa/shutterstock

So sind wir als Fahrlehrer in erster Linie “Glücklichmacher”. Denn im Regelfall erleben wir als “Produkt” unserer Arbeit einen Menschen, der glücklich mit seinem Führerschein aus unserem Auto steigt und der häufig Zeit seines Lebens dankbar und hoffentlich auch mit Freude an seine Ausbildungszeit mit uns zurückdenken wird. Wir haben weiterhin das Privileg, im Rahmen der Erwachsenenbildung als Pädagogen jeden Tag mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen, was vielen nicht vergönnt ist, die zum Beispiel “nur” mit einer Maschine oder einem Computer vorlieb nehmen müssen. Auch der Arbeitsplatz “Straße” schreibt trotz allem Stress auch jeden Tag seine hübschen Anekdoten, über die wir oft schmunzeln, die wir auf unseren social media Kanälen teilen oder in unseren Theorieunterricht einbauen. Reizvoll ist in Wirklichkeit auch die Vielschichtigkeit der Existenz als Fahrlehrer. Wir sind bekanntermaßen Pädagogen, Geschäftsleute, Kummerkasten, Hobbypschyologen, Berater, Mechaniker und vieles mehr in einer Person vereint. Nicht zuletzt benötigen wir als Fahrlehrer eine breite fachliche Kompetenz, die weit über die Vermittlung der Straßenverkehrsordnung hinausgeht. Wir geben Auskunft, welche Versicherungen man benötigt, welche Fahrzeugtypen für wen in Frage kommen, wie man Fahrzeuge zulässt, wie man welche Assistenzsysteme bedient, wie man mit Konfliktsituationen umgeht usw. Das alles ist mit lebenslangem Lernen verbunden und von Eintönigkeit kann da wahrlich keine Rede sein. Die Besonderheiten des Fahrlehrerberufs könnte man hier sicher noch länger ausführen. Aber es sollte auch so schon klar geworden sein, dass die Arbeit in diesem Berufsbild spannend, befriedigend, aufregend, vielschichtig, emotional, kommunikativ, bildend und herausfordernd sein kann. Und wenn man jetzt einmal intensiv über die diversen Berufsbilder nachdenkt, zu denen Fahrlehrer in Konkurrenz stehen, dann kann man mit einer einigermaßen positiven Einstellung schnell erkennen, dass die Arbeit als Fahrlehrer sehr viel zu bieten hat und sich dieser Beruf sicher nicht hinter anderen verstecken muss.

Fahrlehrer - ein vielseitiger und spannender Beruf Bild: kzenon/shutterstock
Fahrlehrer – ein vielseitiger und spannender Beruf Bild: kzenon/shutterstock

Schließlich können sich auch die Verdienstmöglichkeiten durchaus sehen lassen. In guten Unternehmen lassen sich jährliche Bruttoeinkommen je nach Region und Konstellation von 33000-50000 Euro ohne weiteres realisieren mit derzeit steigender Tendenz. Auch hier ist die Fahrschulbranche im Vergleich zu anderen Berufen gut aufgestellt, denn immerhin wird häufig der geltende Mindestlohn um mehr als das doppelte überschritten, was in vielen anderen Ausbildungsberufen nicht erreicht wird.

Um den Fahrlehrermangel zu beseitigen, wird es zweifelsohne viele einzelne Maßnahmen benötigen, um in Summe zum Erfolg zu gelangen. Man wird auf vielen Ebenen werben müssen, wie das zum Beispiel über die Plattform Fahrlehrerkarriere geschieht, die Unternehmen werden die Finanzierung für die Ausbildung übernehmen und auch manche Rahmenbedingungen werden attraktiver gestaltet werden müssen. Aber vor alledem steht ein erster wichtiger Schritt, nämlich eine grundlegend positive Einstellung zu unserem Beruf und der Wille, Interessenten für diesen Beruf die “Faszination Fahrlehrer” näherzubringen.

 

Der mit diesem Beitrag neu gegründete Blog mit dem Namen Fahrlehrerwelt soll künftig dazu dienen, ein speziell auf Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer  abgestimmtes, neues und aktuelles Informations- und Diskussionsmedium zu schaffen.

Natürlich ist ein Blog an sich keine neue Erfindung, schließlich gibt es Millionen davon zu den unterschiedlichsten Themen, die die Menschen auf diesem Planeten beschäftigen. Allein, die Fahrlehrerschaft musste bislang noch ohne ein solches auskommen. So gibt es zwar unterschiedliche Zeitschriften der Verbände und diverser Institutionen. Auch existieren verschiedene Diskussionsforen auf manchen Webseiten und natürlich auf Facebook. Aber eine unabhängige Plattform, auf der verschiedene Vertreter der Fahrschulbranche ihre Ansichten, Aussichten und Innensichten präsentieren und diskutieren können, gab es bislang tatsächlich noch nicht.

Insofern ist ein solches Instrument der Versuch, der Fahrlehrerschaft eine neue Art des Austauschs anzubieten. Autoren und Gastautoren aus allen Bereichen, die mit der Fahrschulbranche zu tun haben, sollen hier ihre Meinungen und Informationen publizieren und zur Diskussion stellen dürfen. Dabei ist die Fahrlehrerwelt bewusst als unabhängiger Blog eingerichtet und versteht sich gerade nicht als Sprachrohr eines einzelnen Verbandes, einer Organisation oder eines speziellen Unternehmens. Selbstverständlich haben alle Personen, die hier ihre Artikel veröffentlichen, einen beruflichen background und vertreten sicher demnach auch deren ganz spezifische Ansichten und Interessen.

Der Blog an sich aber hat das Ziel, diese verschiedenen Ansichten und Interessen zu bündeln, um eine Art Gesamtschau zu ermöglichen. In den nächsten Wochen und Monaten wird es darum gehen, eine Autorenschaft aufzubauen und mit hochwertigen, interessanten Artikeln viele Leser anzuziehen, um herauszufinden, ob ein solches Blogprojekt von und für Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer auf hinreichend Interesse stößt. Gerne freuen wir uns über Vorschläge und Anregungen und vor allem über neue Abonnenten.

Seit der Erfindung des Rades ist der Mensch darum bemüht, den Transport von sich und seinen Waren über große Distanzen möglichst effizient, schnell und komfortabel zu bewerkstelligen. Jahrhundertelang waren dabei kaum nennenswerte Entwicklungen zu vermelden, bis mit der Erfindung der Dampfmaschine (Züge), des Automobils sowie der Luftfahrtechnik ein ungeahntes Maß an Transporttätigkeit auf dem ganzen Planeten eingesetzt hat. Neben den Errungenschaften in der Medizin, der einsetzenden Demokratisierung oder den Fortschritten in der Kommunikation gehört die Mobilität zweifelsohne zu den tragenden Säulen einer prosperierenden Gesellschaft.

Den unbestrittenen Vorzügen der Nutzung von Mobilitätstechniken stehen allerdings auch die Gefahren und Probleme gegenüber, die sich Jahr für Jahr weltweit in millionenfachen Unfällen mit einer hohen Zahl an verletzten und auch getöteten Menschen manifestieren. Gerade im Automobilsektor sind es dabei jedoch nicht die Zuverlässigkeit der Technik, sondern die Unzulänglichkeit und Fehlbarkeit des Menschen, die an erster Stelle der Unfallursachen zu nennen sind. Es ist davon auszugehen, dass über 90% aller Unfälle auf das Fehlverhalten von Menschen zurückzuführen sind und der Mensch damit den Hauptrisikofaktor darstellt, wie Studien des amerikanischen Verkehrsministeriums [1] oder der deutschen Dekra nahelegen [2]. Emotionale Befindlichkeiten, Übermüdung, Ablenkung oder der Einfluss von Medikamenten, Drogen und Alkohol führen dabei als Beispiele zu Fahrten mit nicht angepasster Geschwindigkeit oder zum Unterschreiten der geforderten Sicherheitsabstände, was dann zu entsprechenden Unfallereignissen führt, die das Statistische Bundesamt jährlich eindrucksvoll zusammenfasst [3]. Trotz intensiver Bemühungen im Bereich der Fahrausbildung oder der Unfallprävention durch verschiedene öffentliche Aufklärungskampagnen scheint es bis heute leider ein hoffnungsloses Unterfangen zu sein, dem Menschen einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Auto im Straßenverkehr vermitteln zu wollen, wenn er beispielsweise nicht einmal in der Lage ist, vor der Nutzung eines Autos auf den Genuss von berauschenden Mitteln zu verzichten.

Das Forschungsfahrzeug F 015 von Mercedes-Benz. Copyright Daimler
Einen Blick in eine mögliche Zukunft des Automobilbaus wirft Mercedes-Benz mit dem Forschungsfahrzeug F 015. © Daimler

Die voranschreitende Automatisierung des Autofahrens bietet in diesem Zusammenhang eine große Chance. Denn durch den Einsatz moderner Sensor- und Steuerungstechnik wird es zunehmend möglich sein, das Fehlverhalten des Menschen zu kompensieren und so im Laufe der nächsten Jahrzehnte weltweit die Zahl der Unfälle dramatisch zu senken, was sich schon allein aus den oben genannten Zahlen der vom Menschen verursachten Unfälle ergibt. Eine massive Reduzierung verringert dabei in erster Linie das Leid, das aus schweren und schwersten Unfällen den Opfern und Angehörigen erwächst und zum anderen werden die aus Unfällen unnötigerweise anfallenden Kosten minimiert, was nicht zuletzt einen enorm positiven volkswirtschaftlichen Effekt zur Folge haben wird. Thomas Winkle von der Technischen Universität München hat diese Annahme in einer aktuellen Studie untermauert [7]. Darüber hinaus steckt in der Fahrzeugautomatisierung die noch vielleicht größte Freiheits- und Produktivitätsreserve des Menschen überhaupt. Denn weltweit wird eine gigantische Menge an wertvoller Lebenszeit dafür verwendet, von A nach B zu gelangen. In einem Vortrag darüber, wie autonome Fahrzeuge ihre Umwelt wahrnehmen, führt Chris Urmson, Leiter der Abteilung selbstfahrender Autos bei Google, dazu aus, dass allein in den USA täglich 6 Milliarden Minuten an Lebenszeit in den Autos verschwendet werden [4]. Wenn künftig teilautonome und später auch vollautonome Fahrzeuge die Menschen bei der individuellen Transportarbeit entlasten, steigt die Lebensqualität und es wird genau die Art von Freiheit gewonnen werden, die viele heute schon in Zügen und anderen Fortbewegungsmitteln genießen.

Dass selbst das vollautonom funktionierende Fahrzeug längst keine reine Utopie mehr ist, hat Google in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen mit realen Fahrzeugen, die im realen Straßenverkehr bereits getestet werden und trotz siebenstelliger Kilometerzahlen bis Oktober 2015 nicht einen einzigen Unfall verursacht haben [5,6]. Diese bislang positive Bilanz soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch viele Hürden auf dem Weg zur neuen Autowelt zu nehmen sind und der faszinierende Transformationsprozess erst ganz am Anfang steht. Auf die noch zahlreichen technischen, rechtlichen und versicherungsmathematischen Herausforderungen soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Vielmehr sollen hier die derzeit heftig diskutierten Grundsatzfragen nach der Ethik und der damit eng verbundenen Frage nach der Akzeptanz autonomer Fahrzeuge innerhalb der Bevölkerung angesprochen werden.

Derzeit herrscht hinsichtlich der Akzeptanz noch ein sehr uneinheitliches Bild über den Einsatz autonomer Fahrzeuge und es kursieren viele unterschiedliche Umfragen mit zum Teil sehr diffusen Ergebnissen dazu in den Medien. Anscheinend sind die Menschen einerseits durchaus interessiert an und offen gegenüber technologischem Fortschritt und das auch über viele Ländergrenzen hinweg. Aber auf der anderen Seite besteht trotz allen Wissens um die von Menschen begangenen Fehler im Verkehr noch ein großes Unbehagen, dem Fahrzeug ein höheres oder höchstes Maß an Kontrolle zu übertragen. Diese “Ambivalenz” konstatieren auch Fraedrich und Lenz in ihrer Untersuchung: “Während das autonome Fahrzeug als solches eine vornehmlich positive Bewertung erfährt, gibt es doch gleichzeitig ein ausgeprägtes Misstrauen und eine deutliche Skepsis bis hin zur Ablehnung gegenüber dem autonomen Fahren und der Einführung von autonomen Fahrzeugen in das Verkehrssystem. Diese Einstellung ist besonders häufig mit der Angst vor negativen sozialen Folgen, aber auch vor dem Verlust von Freiheit assoziiert.”[8] Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Menschen in den Umfragen angesichts fehlender praktischer Erfahrungen und der Vielzahl an diskutierten Systemen lediglich aus einer Vorstellung heraus Antworten geben können. Erst wenn in den nächsten Jahren neben den bereits existierenden teilautomatisierten auch hoch- und später vollautomatisierte Systeme auf dem Markt und einer breiten Masse zugänglich sein werden, wird es möglich sein herauszufinden, ob die Menschen ein auf empirischen Erfahrungen basierendes Vertrauen in die technischen Möglichkeiten gewinnen werden.

Sensorik des Audi RS7. &copy Audi
automatisiertes Fahren benötigt eine ausgeklügelte Sensorik – hier am Beispiel des Audi RS 7. © Audi

Als vertrauensbildende Maßnahme wird man dabei auch die derzeit viel diskutierten Fragen beantworten müssen, wie sich die Autos der Zukunft in Extremsituationen verhalten. Denn auch mit der besten Technik werden sich Unfälle nicht vollständig ausschließen lassen. Da wird es zum einen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Redundanzen zu Ausfällen und Fehlfunktionen der Sensor- und Steuerungstechnik kommen, dann bestehen Gefahren durch externe Softwaremanipulationen und schließlich lassen sich manche Unfälle schlicht aufgrund der physikalischen Gegebenheiten nicht mehr verhindern. Im Vergleich zur heutigen Anzahl an Unfällen werden solche Ereignisse gewiss sehr selten sein, aber gleichwohl ist zu klären, wie die Fahrzeuge dann im Rahmen ihrer Programmierung reagieren.

Der Philosoph Patrick Lin von der polytechnischen staatlichen Universität in Kalifornien diskutiert dazu in seinen Arbeiten eine ganze Reihe von Szenarien [9,10]. Unter anderem präsentiert er das Gedankenexperiment, dass das Auto urplötzlich vor die Wahl gestellt wird, entweder eine 80-jährige Großmutter oder ein 8-jähriges Mädchen oder beide zu überfahren. Diese Vorstellung ist sicherlich nicht ganz abwegig, wenn man davon ausgeht, dass in einem innerstädtischen Rahmen beide Personen von unterschiedlichen Seiten unvermittelt und unachtsam auf die Fahrbahn treten und eine Kollision aufgrund der Länge des Bremswegs nicht mehr vermieden werden kann. Das Auto muss sich daher entscheiden, ob es durch ein Ausweichmanöver das Mädchen oder die Großmutter, oder durch den Verzicht auf eine Reaktion beide Personen erfasst. Dabei handelt es sich um ein klassisches moralisches Dilemma, das in verschiedenen Spielarten beleuchtet werden kann. Lin ergänzt zum Beispiel einen Fall, bei dem das Auto entscheiden muss, ob es seinen eigenen Fahrer zugunsten anderer im Verkehr opfert, indem es über eine Klippe fährt und in die Tiefe stürzt, um so einen Unfall mit Kindern zu verhindern. Die Schwierigkeit liegt hierbei laut Lin vor allem darin, dass ein menschlicher Fahrer in solchen Situationen instinktiv, intuitiv und ohne rationale Überlegung reagiert, während ein autonomes Fahrzeug für solche Fälle von seiner Programmierung her gerüstet sein muss. Ein Programmierer hat demnach solche Szenarien lange vor dem tatsächlichen Unfall mit seinen unterschiedlichen denkbaren Konsequenzen durchgespielt und dem Auto die zu treffende Entscheidung vorgegeben. Und genau darin liegt das große Problem. Denn der Programmierer hat im Gegensatz zum menschlichen Fahrer in der akuten Situation viel Zeit, verschiedene Parameter, Kriterien, Ergebnisse von Sensordaten etc. für eine vermeintlich gute oder richtige Entscheidung einfließen zu lassen. Hier muss sich aber erst die Gesellschaft darauf verständigen, wie denn in solchen Fällen eine den Umständen entsprechende richtige Entscheidung aussehen soll. Diese kann unmöglich von den Herstellern und deren Programmierern getroffen werden, sondern ist als gesamtgesellschaftlicher Prozess zu begreifen, für den es nicht nur zur moralischen, sondern auch zur rechtlichen Absicherung einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Im Optimalfall wird eine solche Regelung auf Basis einer sehr breit geführten öffentlichen Debatte mit einer am Schluss sehr großen politischen Mehrheit auf den Weg gebracht, um so die Akzeptanz zu erhöhen.

Denn die Entscheidung über Leben und Tod in technischen Grenzbereichen ist sicherlich alles andere als leicht. Im oben geschilderten Fall der zu treffenden Entscheidung, ob das Mädchen, die Großmutter oder beide überfahren werden, gibt es verschiedene Herangehensweisen, die auch Lin in seinen Überlegungen berücksichtigt. Aus einer angelsächsischen Perspektive, die stark dem Konsequentialismus verbunden ist, wird man die Entscheidung vielleicht an den Folgen der Handlung festmachen wollen und würde argumentieren, dass das Mädchen geschützt und die Großmutter geopfert werden solle, weil die eine noch ihr ganzes Leben vor sich hat. Der berühmte Spruch bei sinkenden Schiffen mit Blick auf die Besetzung der Rettungsboote “Frauen und Kinder zuerst” ist dabei ganz analog Ausdruck der Idee, dass man in einer Notsituation nicht zuletzt auch aus dem Gedanken an einen gesellschaftlichen Nutzen heraus eine Abwägung treffen darf und vielleicht sogar muss, die darauf abzielt, den “Wert” verschiedener Leben gegeneinander abzustufen. Sollte also das Auto in jedem Fall das Mädchen retten und lässt sich das auf eine Vielzahl von Fällen pauschalisieren? Spinnt man einmal das Gedankenexperiment von Lin weiter und nimmt an, dass das Mädchen gerade auf dem Weg zum Arzt ist und dort erfahren wird, dass es aufgrund einer tödlichen Krankheit nur noch wenige Wochen zu leben hat. Und nimmt man weiterhin an, dass es sich bei der Großmutter um eine berühmte medizinische Forscherin handelt, die auf ihrem Weg eine zündende Idee zur Therapie von Alzheimer hatte, wovon unzählige Menschen profitieren könnten. Würde man dann im Rahmen einer utilitaristischen Kosten-Nutzen-Rechnung immer noch das Mädchen retten wollen? Vermutlich nicht, aber man würde kaum von einem Menschen oder einem Auto verlangen wollen, alle denkbaren Rahmenbedingungen analysieren und vorhersehen zu können.

Einparken mit Fernbedienung. & BMW AG, München
Das Einparken erfolgt vielleicht schon bald außerhalb des Fahrzeugs per Fernbedienung. © BMW AG, München

Unabhängig von den Fähigkeiten der Sensoren und der Algorithmen zur Analyse und zum Umgang mit einer solchen Situation, scheint es kaum denkbar zu sein, angemessene Kriterien finden zu können, mit denen man auch nur annäherungsweise den Wert eines Lebens in solchen Unfallszenarien als schützenswert gegenüber einem anderen einstufen könnte, um daraus eine passende und allgemeingültige Entscheidung ableiten zu können. In Deutschland ist man traditionell eher skeptisch gegenüber solchen Strategien, die sich an den Folgen orientieren und zielt mehr im kantianischen, deontologischen Sinne auf die Handlung selbst bzw. auf die Motivation zu einer Handlung ab. Wie sehr es hierzulande verpönt ist, Menschenleben zahlenmäßig gegeneinander aufzuwiegen, hat der berühmte Fall des Luftsicherheitsgesetzes gezeigt. Unter dem Eindruck der Anschläge des 11. September 2001 hatte die Bundesregierung 2005 ein Gesetz verabschiedet, nach dem es hätte möglich sein sollen, im Extremfall ein Passagierflugzeug abzuschießen, um dadurch andere Leben zu retten. Man wollte also als Beispiel die vielleicht 200 Passagiere eines Flugzeugs opfern, um so vielleicht 10 000 Menschen in einem Fußballstadion zu retten. Genau eine solche Rechnung verbietet sich aber nach unserem Grundgesetz gemäß Artikel 1 und der darin verankerten unantastbaren Würde des Menschen. Somit wurde dieses Gesetz vom Bundesverfassungsgericht 2006 als verfassungswidrig eingestuft [11]. Daher ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass in Deutschland ein Gesetz für autonome Fahrzeuge anerkannt würde, nach welchem eine Abwägung von Menschenleben stattfindet. Allerdings gerät man dann in die Situation, dass man sowohl das Mädchen als auch die Großmutter opfern müsste, wenn das Fällen einer Entscheidung anhand welcher Kriterien auch immer unzulässig wäre. Dabei stellte allerdings auch die Entscheidung zum Nicht-Handeln eine eigene Form der Entscheidung für den Programmierer dar, die viele sicherlich auch zurückweisen würden.

Es ist gerade das Wesen des moralischen Dilemmas, dass es am Ende keine Lösung gibt, die das Prädikat richtig oder falsch verdient. Es gibt nur unterschiedliche Herangehensweisen wie die geschilderten deontologischen oder konsequentionalistischen Ansätze, mit denen man dann zu einer Entscheidung gelangt, die akzeptabel erscheint. Gerdes und Thornton von der Universität Stanford wagen in ihrem Aufsatz erste Schritte dazu, die beiden Ansätze zu kombinieren und daraus ein für autonome Autos implementierbares ethisches Regelwerk zu formulieren [12]. Zugegebenermaßen umgehen sie aber schlussendlich auch eine Lösung für die Entscheidung, ob jetzt im oberen Fall das Mädchen, die Großmutter oder beide zu erfassen sind.

Vielleicht wird man schlussendlich doch auf die von Lin [10] angesprochene, aber durchaus von ihm skeptisch betrachtete Lösung zurückgreifen, in manchen Situationen auch dem Zufall eine Chance zu geben, also gewisse Entscheidungen über einen Zufallsalgorithmus zu treffen. Dies könnte dann der Fall sein, wenn alle andere Parameter versagen. Zunächst sollte das Auto im Sinne von Gerdes alles dafür tun, um eine Kollision an sich, hierarchisch gegliedert, mit Gegenständen, anderen Fahrzeugen oder Menschen zu vermeiden. In einem zweiten Schritt könnte man dann bei nicht vermeidbaren Kollisionen eine Priorisierung nach dem aus den Sensordaten erwartbaren Schaden vornehmen. Es ließe sich dabei beispielsweise unterscheiden nach dem Erwartungswert Sachschaden oder Personenschaden, wobei diese sich noch weiter differenzieren ließen nach Art und Schwere des Schadens. Gelangt man dann auf eine Ebene, in der ähnliche Schäden innerhalb einer Kategorie zu erwarten sind, dann wird die Entscheidung dem Zufall überlassen. Im hier immer wieder angeführten Beispiel hieße das: Erwartungswert 1 für Großmutter entspricht dem Erwartungswert 2 für das Mädchen, nämlich jeweils schwere bis tödliche Verletzung. In einer solchen Situation wäre es  dann gerechtfertigt, den “Zufall” entscheiden zu lassen, da das moralische Dilemma wie erwähnt keine abschließend richtige Lösung erwarten lässt.

Schlussendlich muss auf dem Weg zu immer stärker automatisiert agierenden Fahrzeuge klar gesagt und akzeptiert werden, dass es auch mit solchen Fahrzeugen Unfälle geben wird und sich Risiken nicht auf null reduzieren lassen. Es wäre aber nicht gerechtfertigt, deshalb den Prozess der Automatisierung aufhalten zu wollen, nur weil die Technik im Bereich der auftretenden moralischen Dilemmata nicht zu einer “richtigen” Lösung fähig ist. Denn man darf nicht vergessen, dass auch der Mensch nicht zu einer solchen Lösung gelangen kann. Es scheint, als ob sich vielmehr die Skeptiker einer automatisierten Fahrweise dieses Argument zu Nutze machen wollen, um so die Entwicklung zu verzögern. Besser aber wäre es, auch zum Wohle der Allgemeinheit die Automatisierung der Fahrzeuge zu befördern und nach Kräften zu unterstützen. In den nächsten Jahren wird man dann auf dem Weg vom teil-, über das hoch-, bis hin zum vollautomatisierten Fahren viele Erfahrungen sammeln können, um die Prozesse zu verfeinern, zu verbessern und die ethischen Regelwerke zu optimieren. Eine solche Optimierung wird auch aus den Erfahrungen aus Unfällen resultieren, das muss man offen zugestehen. Denn der Mensch hat seine verwendeten Techniken auch immer gerade im Angesicht von Unfällen und deren Analyse verbessert, um damit wiederum vergleichbare Unfälle zu vermeiden. Dies wird auch auf dem Weg zum autonomen Fahren so sein.

[1] Singh, Santokh: Critical reasons for crashes investigated in the National Motor Vehicle Crash Causation Survey, in: Traffic Safety Facts Crash•Stats. Report No. DOT HS 812 115. Washington, DC: National Highway Trafic Safety Administration (2015), unter: http://www-nrd.nhtsa.dot.gov/pubs/812115.pdf [abgerufen am: 08.11.2015]

[2] Dekra Automobil GmbH: Verkehrssicherheitsreport 2012 Mensch und Technik, unter: http://www.dekra.de/de/verkehrssicherheitsreport-2012 [abgerufen am: 7.11.2015]

[3] Statistisches Bundesamt: Verkehrsunfälle Zeitreihen 2014, unter: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/TransportVerkehr/Verkehrsunfaelle/VerkehrsunfaelleZeitreihenPDF_5462403.pdf?__blob=publicationFile [abgerufen am: 7.11.2015]

[4] Urmson, Chris: How a driverless car sees the road, in: Ted Talks (März 2015), ab Minute 1:49 unter: https://www.ted.com/talks/chris_urmson_how_a_driverless_car_sees_the_road [abgerufen am 8.11.2015]

[5] Google self driving project: A ride in the google self driving car, in: You tube unter: https://www.youtube.com/watch?v=TsaES–OTzM [abgerufen am: 8.11.2015]

[6] Hulverscheidt, Claus: Crash Kurs mit Google, in: Süddeutsche Zeitung, 10. Oktober 2015 unter: http://www.sueddeutsche.de/auto/autonomes-fahren-crash-kurs-mit-google-1.2684782 [abgerufen am: 8.11.2015]

[7] Winkle, Thomas: Sicherheitspotenzial automatisierter Fahrzeuge: Erkenntnisse aus der Unfallforschung, in: Autonomes Fahren, hrsg. v. M.Maurer et al., 2015, S. 351-374

[8] Fraedrich, Eva und Lenz, Barbara: Gesellschaftliche und individuelle Akzeptanz des autonomen Fahrens, in: Autonomes Fahren, hrsg. v. M.Maurer et al., 2015, S. 655f.

[9] Lin, Patrick: Why Ethics Matters for Autonomous Cars, in: Autonomes Fahren, hrsg. v. M.Maurer et al., 2015, S.70-85

[10] Lin, Patrick: The robot car of tomorrow might just be programmed to hit you, unter: http://www.wired.com/2014/05/the-robot-car-of-tomorrow-might-just-be-programmed-to-hit-you (2014), [abgerufen am: 22.11.2015]

[11] BVerfG, 1 BvR 357/05 vom 15.02.2006, Rn. (1-156), unter
http://www.bverfg.de/e/rs20060215_1bvr035705.html , [abgerufen am: 22.11.2015]

[12] Gerdes, Christian J., Thornton Sarah M.: Implementable Ethics for Autonomous Vehicles, in: Autonomes Fahren, hrsg. v. M. Maurer et al.,2015, S. 88-102